Flächensparen: Baulücken und Leerstände aktivieren

28.11.2022-110

Knapp 100 Teilnehmer beim 4. Online-Seminar „Baulandaktivierung als Instrument für eine flächenschonende Gemeindeentwicklung“

Regensburg/Oberpfalz. Wo ist noch Platz für eine neue Siedlungsentwicklung? Wenn man die gängige Praxis betrachtet, ist dieser Platz oftmals vor allem am Ortsrand zu finden. Untersucht man die betroffenen Gemeinden genauer, wird man feststellen, dass die Siedlungsflächen von oben oft wie „Schweizer Käse“ aussehen, mit Baulücken, Brachflächen und anderen Nachverdichtungspotentialen. Wenn man nicht nur „von oben“ hinsieht, sondern die Immobilien „von unten“ noch genauer betrachtet, kommen möglicherweise noch Leerstände und baufällige Gebäude hinzu, die eine Nachnutzung suchen. Rechnet man alle diese Innenentwicklungspotentiale zusammen, kommt man in manchen Gemeinden auf die Fläche von mehreren Baugebieten. Oft ist es aber gar nicht so einfach, diese Flächen zu entwickeln und zu bebauen, vor allem, wenn die Eigentümer nicht mitspielen. Wenn man es jedoch schafft, diese Flächen zu aktivieren und innen statt außen zu wachsen, hat dies viele Vorteile für die Gemeinden und die Bürger: Kurze Wege, weniger Kosten für Infrastruktur, mehr Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft und vieles mehr. Der Aufwand lohnt sich. Doch wie lassen sich viele unterschiedliche Interessen zusammenbringen und welche baurechtlichen Instrumente gibt es, um Innenentwicklungspotentiale zu aktivieren? Mit diesem Thema setzten sich die knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 4. Online-Seminars des Flächensparmanagements an der Regierung der Oberpfalz auseinander – darunter auch zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Matthias Simon, Jurist beim Bayerischen Gemeindetag und zuständig für Baurecht und Landesplanung, erläuterte die planungsrechtlichen Leitplanken für die Innenentwicklung in Bayern. Der Vorrang der Innenentwicklung ist im § 1 a Abs. 2 im Baugesetzbuch (BauGB) und im Landesentwicklungsprogramm Bayern im Ziel 3.2 klar geregelt. Um dies umsetzen zu können, gibt es für die Gemeinden beispielsweise das allgemeine Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB und darüber hinaus die Möglichkeit, Sanierungsgebiete festzulegen oder ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 zu erwirken. Damit kann die Gemeinde dann z.B. leichter für sie wichtige Gebäude und Flächen erwerben und somit die Entwicklung innerorts aktiv mitsteuern. Neben diesem Instrument gibt es unter anderem die Möglichkeit der Herausnahme von Flächen aus dem Flächennutzungsplan bei einer fehlenden Entwicklungsperspektive sowie die Möglichkeit der Aufhebung oder Änderung von alten Bebauungsplänen um eine Nachverdichtung zu unterstützen. „Die rechtlichen Instrumente der Gemeinden sind noch ausbaufähig und sollten gestärkt werden, um noch zielgerichteter Innenentwicklung zu ermöglichen. Man kann aber auch jetzt schon erfolgreich Bauland aktivieren“, betonte Simon.

Christiane Meyer, 1. Bürgermeisterin der Stadt Ebermannstadt aus dem Landkreis Forchheim in der Fränkischen Schweiz, zeigte in ihrem Vortrag, wie man die bestehenden rechtlichen Instrumente zur Innenentwicklung gewinnbringend einsetzen kann. Seit 8 Jahren geht die Stadt das Thema strategisch an, baute Fachwissen auf und stellte Personal für die Umsetzung bereit. Ein Kommunales Flächenmanagement zur Ermittlung und Verwaltung des Baulandflächenpotentials wurde eingerichtet und ein Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept unter aktiver Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aufgestellt. Darauf aufbauend konnten Brachflächen und mindergenutzte Bebauungsgebieten einer neuen verdichteten Bebauung zugeführt und große Einzelhandelsbetriebe im Stadtzentrum angesiedelt werden. Auch die Aufhebung alter Bebauungspläne und Rücknahmen aus dem Flächennutzungsplan standen in Ebermannstadt auf dem Programm. „Am Anfang gab es Gegenwind von Eigentümern. Dann konnten wir zusammen innovative Quartiere entwickeln“, erklärte Bürgermeisterin Meyer. Die Stadt will außerdem eine Sanierungssatzung angehen, um das Vorkaufsrecht nach § 25 ausüben zu können und um städtebauliche Missstände zu verhindern. Ein kommunales Förderprogramm und eine Gestaltungsrichtlinie unterstützen zudem die Eigentümer. „Baulandaktivierung kann gelingen, mit konkreten Zielen, mit fachlicher Unterstützung und staatlichen Förderungen, zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit Einigkeit im Rat“, brachte es Meyer auf den Punkt.

Florian Obermeier, 1. Bürgermeister der Gemeinde Bernhardswald im Landkreis Regensburg und Bauamtsleiter Michael Silberhorn starteten in diesem Jahr zusammen mit dem Gemeinderat ein Programm zur Innenentwicklung. Im Rahmen des standardisierten Bedarfsnachweises zur Siedlungsentwicklung wurde eine Vielzahl von Baulücken und Leerständen ermittelt, die Kosten für die Instandhaltung der nicht genutzten Infrastruktur ermittelt und die Bevölkerungsstruktur analysiert. Schnell wurde klar, dass hier Handlungsbedarf besteht. Als Reaktion auf den demographischen Wandel soll Mehrgenerationenwohnen im Innenbereich gefördert werden, beispielsweise durch die Reaktivierung von Einliegerwohnungen. Beim Thema „Baulücken schließen und Nachverdichten“ geht die Gemeinde einen neuen Weg. Statt einer unpersönlichen Eigentümerbefragung per Brief tritt die Gemeinde mit einem konkreten Kaufangebot an die Eigentümer heran und lädt diese zum Gespräch mit dem Bürgermeister ein. „Wir schreiben immer 10 bis 15 Eigentümer aus der gleichen Straße oder dem gleichen Ortsteil an um die Diskussionen in die Familien zu tragen. Und wenn erst einmal das persönliche Angebot auf dem Tisch liegt, entscheiden sich doch einige zu verkaufen“, schildert Florian Obermeier die ersten Erfahrungen. Der Rücklauf ist jedenfalls viel höher als in den bisherigen Befragungen und erste Verkäufe stehen in Aussicht. „Der Kaufpreis orientiert sich an den Bodenrichtwerten, die Gemeinde will damit keinen Gewinn erzielen“, so Obermeier.

„So wie die Gemeinde Bernhardswald, erkennen immer mehr oberpfälzer Gemeinden, dass man durch eine gezielte und engagierte Innenentwicklung die eigene Gemeinde stärken kann“, sind sich die beiden Flächensparmanager Patrick Dichtler und Markus Roth von der Regierung der Oberpfalz sicher. „Es gibt nicht den einen Königsweg um Bauland im Bestand zu aktivieren. Sicher ist aber, dass es sich lohnt, auf die betroffenen Akteure zuzugehen, neue Ideen zu entwickeln, strategisch vorzugehen – alles gekoppelt mit dem notwendigen Wissen, welche Möglichkeiten das Planungsrecht bietet“, betonen Roth und Dichtler: „Unsere Veranstaltung diente dazu, das Handwerkszeug zu vermitteln und Beispiele zu zeigen, wie es funktionieren kann.“

Flächensparen und Ansprechpartner in der Oberpfalz
Auf der Webseite des Flächensparmanagements an der Regierung der Oberpfalz finden Sie Infos und Ansprechpartner rund um das Thema Flächensparen.
https://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/regierungsbezirk/flaechensparoffensive/index.html

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