Geschichte der Regierung der Oberpfalz
Die Geschichte der Regierungen1 als staatliche Verwaltungsbehörden der Mittelebene in Bayern beginnt eigentlich mit der Konstitution vom 25.5.1808 und dem sog. Organischen Edikt vom 21.6.1808, auch wenn erst 1837 daraus endgültig die Regierungen geworden sind. Auch vor 1808 gab es bereits eine Behörde auf der Mittelebene in der Oberpfalz, die Landesdirektion in Amberg für die Oberpfalz, für das Herzogtum Sulzbach und die Landgrafschaft Leuchtenberg. Aber erst mit dem Jahr 1808 kann man von richtigen Mittelbehörden im verwaltungswissenschaftlichen Sinn sprechen. Es gab auf der oberen Ebene die 5 „Departemente“ (heute Ministerien) in München und auf der unteren die Landgerichte. Sie waren einander zugeordnet, ihre Aufgaben entsprachen sich weitgehend. Für die 1808 gebildeten 15 Kreise des Königreichs Bayern wurden Generalkreiskommissariate als Verwaltungsbehörden eingerichtet. Diese 15 Kreise sollten in etwa gleich groß sein, die zu bewältigenden Aufgaben im Prinzip vergleichbar, ebenso die für die Behörde handelnden Personen, insbesondere die Generalkreiskommissäre.
Wohl keine Behörde in der Geschichte Bayerns zeichnet sich durch eine derart personelle und sachliche Gleichmäßigkeit aus wie die Regierungen in den gut 200 Jahren ihres Bestehens. Nirgendwo sonst ist der Gedanke der Einheit und der Einräumigkeit der Verwaltung (nur eine einzige Staatsbehörde für den beschriebenen Raum) so nachhaltig verwirklicht, wie bei den staatlichen Mittelbehörden in Bayern. Name und Umfang der Verwaltungssprengel liefern die räumliche und begriffliche Vorgabe für weitere Behörden und Organisationen. Inhalt, Umfang und Daseinsberechtigung der Regierungen standen in regelmäßigen Abständen zur — meist politisch geführten — Diskussion. Sie waren auch fast von Anfang an in das Spannungsfeld Einheitsbehörde — Sonderbehörde gestellt. Während die unteren staatlichen Verwaltungsbehörden der allgemeinen inneren Verwaltung nach dem 2. Weltkrieg kommunalisiert wurden (Landratsämter), bestehen auf der Ebene der Mittelbehörden die Regierungen als staatliche Verwaltungsbehörde und der Bezirk als Selbstverwaltungskörperschaft der 3. kommunalen Ebene nebeneinander, wenn auch in gewissen institutionalisierten Verbünden. Eine große Zahl innerer und äußerer Reformen veränderte die staatliche Mittelbehörde ein gutes Stück in den 200 Jahren ihres Bestehens. Der Umsetzung eines dauerhaft ganzheitlichen Staatsgedankens und seines Gemeinwohls kommen die Regierungen dennoch vermutlich am nächsten. Daran hat sich in den 200 Jahren wenig geändert. Gerade wegen dieser Kontinuität und ihres im Grunde von der Tagespolitik weitgehend unabhängigen Daseins ist es besonders schwierig aber auch reizvoll, der Geschichte dieser Behörde als Ganzes nachzugehen, auch im Verhältnis zur „großen“ Geschichte.
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Die Anfänge der heutigen Regierung der Oberpfalz liegen im Jahr 1810. Sie lassen sich genau datieren, sowohl hinsichtlich ihrer Grundlagen, als auch was die Aufnahme ihrer Tätigkeit angeht. „Der Sitz des Generalkreiskommissariats ist in Regensburg, der Sitz des Appellationsgerichtes in Amberg“, bestimmte die Verordnung vom 23. September 18102 ganz nüchtern, aber mit großer Tragweite. Damit wurde Regensburg zum Sitz der Kreisregierung. Die heute kreisfreie Stadt Amberg, damals Sitz einer Landesdirektion und von 1808 bis 1810 des Generalkreiskommissariats des Naabkreises, verlor diese Behörde. Heute befindet sich in der Stadt an der Vils das Landgericht. Wie kam es dazu, was war geschehen? Zunächst einmal musste die Stadt Regensburg, seit 1245 reichsunmittelbar und damit Freie Reichsstadt, bayerisch werden. Zwischen dem Ende der Reichsunmittelbarkeit als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 und der Zugehörigkeit zu Bayern lag noch ein Intermezzo, die Zeit des geistlichen Fürstentums Regensburg unter Carl Theodor von Dalberg, zu dem die Reichsstadt, die weltliche Herrschaft des Bischofs und das Hochstift gehörten. Es endete 1810. Am 23. Mai 1810 übernahm der königlich bayerische Commissarius Freiherr von Weichs im Auftrag des bayerischen Königs das Fürstentum Regensburg. Regensburg war nun bayerisch.
Die Szene der Übergabe hat Josef Altheimer 100 Jahre danach in einem Gemälde nachempfunden.3 Der Vertrag zur Übergabe der Stadt an Bayern wurde zwar schon am 28. Februar 1810 in Paris geschlossen, wobei u. a. auch die Entschädigungen geregelt wurden, die Bayern für die Unterstützung Frankreichs gegen Österreich erhalten sollte. Erst am 9. Mai 1810 konnte Freiherr von Weichs nach München melden, dass Dalbergs Kommissär Albini das Fürstentum Regensburg an den napoleonischen Divisionsgeneral Compans übergeben habe. Die knapp 14 Tage bis zur oben geschilderten Übernahme gehörte Regensburg sogar zu Frankreich.
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Der bayerische König musste den Zuschnitt seiner verwaltungsmäßigen Mittelebene ändern, damit Regensburg überhaupt Sitz des Generalkreiskommissärs werden konnte. Bereits zwei Jahre vorher, am 21.Juni 18084 hatte das Organische Edikt die Konstitution vom 25. Mai 18085 umgesetzt und den „neuen Flächenstaat“ Bayern in 15 Kreise eingeteilt. Bayern reichte damals vom Südrand der Alpen (Trient) bis zum Thüringer Wald. Die Oberpfalz bestand aus dem Naabkreis, einem Gebiet, das sich in etwa mit dem nördlichen Teil der heutigen Oberpfalz deckt, während die Landgerichte Kötzting, Viechtach, Bogen und Straubing zusammen mit anderen Landgerichten im Süden den Regenkreis bildeten. Amberg wurde als Sitz des Generalkreiskommissärs des Naabkreises festgelegt, Straubing als der für den Regenkreis. Bayern folgte mit seiner Territorialeinteilung dem französischen Vorbild, indem es allen Kreisen den Namen von Flüssen gab, die in den meisten Fällen auch für die geografische Situation charakteristisch waren. Die Konstitution von 1808 hatte nämlich angeordnet, „... dass das Königreich ohne Rücksicht auf die bis daher bestandene Eintheilung in Provinzen in möglichst gleiche Teile und soviel thunlich, nach natürlichen Gränzen getheilt wird.“ Die Einheits- und Gleichheitsforderungen der Französischen Revolution hatten auch hier ihre Wirkung erzielt. Die französische Nationalversammlung hatte Frankreich 1789 in 83 egalitäre Departements eingeteilt.
Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 sowie die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation brachte Bayern erhebliche Gebietszuwächse mit zum Teil sehr unterschiedlichen Rechtstraditionen. (1806 legte Kaiser Franz II. die Krone nieder als Reaktion auf die Gründung des Rheinbundes.) Das Land stellte sich daher als ein Konglomerat aus über 70 Territorien dar, die sich u. a. im Rechtswesen, den Staatstraditionen, in Größe und Finanzkraft erheblich voneinander unterschieden. Bayern war seit 1806 Königreich und ein nach außen und innen souveräner Staat. Die Notwendigkeit, die neu hinzugekommenen Landesteile zu integrieren und damit auch die Verwaltung neu zu organisieren, lag auf der Hand. „Die führenden Verwaltungsleute der Zeit hatten längst erkannt, welch starke Integrationsmöglichkeit und Integrationskraft von der Organisation der staatlichen Ämter und Behörden ausgeht. Frankreich hatte es ja vorgemacht.“6 Diese Neueinteilung des Königreichs durch die Konstitution von 1808 und die Umsetzung durch das Organische Edikt vom 21. Juni 1808 war sicherlich die radikalste Reform in der Geschichte des neueren Bayern. Man kann sie getrost als Revolution von oben bezeichnen.
Damals entstand im Grundsatz auch der dreistufige Verwaltungsaufbau in Bayern mit Unter-, Mittel- und Oberbehörden als durchgängiges Organisationsschema, auch wenn es vor 1808 bereits eine Art Dreigliedrigkeit gegeben hatte. Dieser Aufbau der Staatsverwaltung hat mit gewissen Abwandlungen bis zum heutigen Tag Bestand. Die Generalkreiskommissariate in den 15 Kreisen waren im Grunde einheitlich organisiert und hatten gleiche Aufgaben. Das war völlig neu.
Der Vertrag von Paris brachte für das Königreich Bayern — neben dem Gewinn von Regensburg — erhebliche Gebietsänderungen mit sich: Salzburg und Berchtesgaden, das Innviertel und Teile des Hausruckviertels (Salzkammergut) kamen neben der Markgrafschaft Bayreuth und eben Regensburg zum Königreich. Abtreten musste man die italienischsprachigen Teile des südlichen Tirol (Eisack- und Etschkreis) an Italien, Osttirol und einen Teil Kärntens an Österreich, Ulm an das Großherzogtum Württemberg, einige Gebiete an das Großherzogtum Würzburg. Per saldo hatte Bayern gleichwohl ca. 200 000 Einwohner hinzugewonnen. Die Folge war logischerweise eine erneute Reform der Kreiseinteilung. Als Verwaltungsbezirke der Mittelebene blieben die Kreise erhalten, nur Zuschnitt und Anzahl änderten sich. Aus zunächst 15 Kreisen wurden 9. Das Gebiet der Oberpfalz nahm erstmals seine heute typische Form an, die an ein Lindenblatt erinnert. Der Naabkreis wurde gänzlich aufgehoben. Sein nördlicher Teil mit den Landgerichten Eschenbach, Kemnath, Neustadt a. d. Waldnaab, Tirschenreuth und Waldsassen wurde dem Mainkreis zugeschlagen, sein südlicher Teil dem Regenkreis.
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Wie sah die Behörde aus, die 1810 im nunmehr bayerischen Regensburg als Mittelbehörde gebildet wurde? In der am 26. September 1810 erlassenen Besetzungsliste für die 9 Kreise hatte König Max I. Joseph dem bisherigen Generalkreiskommissär des Innkreises in Innsbruck, Maximilian Graf von Lodron, dasselbe Amt im Regenkreis übertragen. Er war also der erste Leiter der Mittelbehörde in Regensburg. Frau Brigitta Brunner, die jetzige Regierungspräsidentin, ist seine 33. Nachfolgerin. (inzwischen ist Walter Jonas der 35. Nachfolger, Anm. d. Redaktion)
Lodron kam im November 1810 von Innsbruck nach Regensburg, allerdings nicht direkt, sondern auf Umwegen. Das mag typisch für die damals unruhigen und schwierigen Zeiten gewesen sein. Bei dem Sturm auf Regensburg am 23. April 1809 wurde ein Sechstel des damaligen Häuserbestandes zerstört. Ein größeres Gebäude für die neue Behörde war daher nicht leicht zu finden. Auch war erst ein knappes halbes Jahr nach dem 23. Mai 1810 vergangen, seit Regensburg zum Königreich Bayern gehörte. Differenzen mit Frankreich, dem vorhergehenden Besitzer Regensburgs, waren noch nicht ausgeräumt. Das neue Generalkommissariat konnte daher seinen Dienst in Regensburg nicht, wie ursprünglich geplant, am 1. November 1810 aufnehmen. Man blieb also in Straubing, dem „alten“ Sitz des Generalkreiskommissariats des Regenskreises. Lodron traf dort am 5. November ein.
Am 20. November aber befand er sich bereits in Regensburg. Er wohnte im bekannten Gasthof „Zu den drei Helmen“, an der Ecke Dreihelmgasse/ Pfauengasse (heute Galeria Kaufhof). Lodron „entdeckte“ das sog. Neue Fürstenhaus auf dem Emmeramsplatz, das frühere „Äußere Palais“ des Klosters St. Emmeram, und hielt es offenbar geeignet für seine Behörde. Immerhin war das Haus erst 1792, also 18 Jahre vorher, als Repräsentationsgebäude für den Prinzipalkommissar beim Reichstag, Fürst Anselm von Thurn und Taxis, hergerichtet worden. 1810 hatte es seine Bedeutung verloren und stand leer. Lediglich 4 Seminaristen sollen darin gewohnt haben. Lodron ist dann mit einem kleinen Stab eingezogen. Er „okkupierte“ es einfach, ohne zunächst seine vorgesetzte Dienststelle zu fragen. Mit dem Ministerium in München gab es dann zwar Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Raumbedarfs für die neue Behörde; am 4. Dezember waren diese jedoch beseitigt.
Am Samstag, den 15. Dezember, erfolgte der Umzug von Straubing nach Regensburg, die Akten kamen per Schiff. Da Generalkommissariat des Regenkreises mit Maximilian Graf von Lodron als erstem Generalkreiskommissär nahm am 17. Dezember seine Arbeit am Emmeramsplatz auf, allerdings noch nicht im gesamten heutigen Areal. Der Gebäudekomplex am Emmeramsplatz beherbergt bis zum heutigen Tag die Regierung der Oberpfalz, wenn auch mit erheblichen, räumlichen Erweiterungen.
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Für die neue Behörde war die Instruktion für die Generalkreiskommissäre vom 17. Juli 1808 maßgebend.7 Insgesamt 79 Paragrafen machten genaue Vorgaben zu Qualität und Umfang des Personals, dem Wirkungskreis der Behörde, sowie dem Geschäftgang. Vorgesetzte Dienststelle war das Ministerialdepartement des Inneren in München, es bestand seit 21.11.1806. zusammengefasst. Sie betrafen die Öffentliche Sicherheit, die Organisation der Mittel und Außenämter einschließlich der Gemeinden, Kirchen und Schulen, das Gesundheits- und Fürsorgewesen einschließlich des Wirtschaftswesens (Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten). Neben dem Departement des Inneren gab es im Königreich Bayern nur noch Departements für Auswärtige Angelegenheiten, Justiz-, Finanz-, und Militärverwaltung.
Den Generalkreiskommissariaten war eine Fülle von Aufgaben aus allen Bereichen der Staatsverwaltung übertragen. Dazu gehörten auch die Überwachung der Presse und der Zensur und das Kreditwesen. Die gesamte neue Staatsorganisation spiegelte Montgelas’ aufgeklärtes Staatsverständnis. Der Staat war der eigentliche Souverän, nicht mehr der König; der Staat erhob einen absoluten Herrschaftsanspruch. Der Generalkreiskommissär hatte zwar sehr viele Aufgaben zu erfüllen, aber wenig eigene Kompetenzen. Eine Entlastung der Ministerien fand nicht statt, viele alltägliche Entscheidungen hatten die ministerielle Ebene zu durchlaufen, eine Folge des Montgelas’schen Souveränitätsanspruches nach innen. Die Überwachung des Vollzuges von Gesetzen und Verordnungen und sonstiger ministerieller Weisungen, die Kontrolle der nachgeordneten Ämter waren die Hauptaufgaben des Generalkreiskommissärs. „Keine Verordnung kann er aus eigener Macht erlassen. “ (§ 19) Eigenes Entscheidungsrecht besaß er nur in einem kleinen Katalog von einzelnen Angelegenheiten, die in der Instruktion aufgezählt waren, meist Verwaltungsstreitfälle. Die Verordnung vom 8. Oktober 1810 machte ihn zum Verwaltungsgericht in der 2. Instanz.
Die Verordnung vom 2. Oktober 18118 hat den Generalkreiskommissären weitere ausgewählte Aufgaben übertragen, z. B. die Besetzung von Lehrerstellen oder die Erteilung gewerblicher Konzessionen. 1815 kam dann u. a. die Disziplinaraufsicht über das Personal der nachgeordneten Behörden dazu, sowie weitere Befugnisse im Polizeiwesen wie die Aufsicht über die Kommunalstraßen, das Schulwesen, u. a. die Errichtung neuer Schulen sowie die Regelung von Kirchenangelegenheiten (VO vom 6.8.1815)9.
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Der Generalkreiskommissar hatte jährlich eine Visitationsreise durch seinen Kreis zu unternehmen (§42): Die Ergebnisse gingen z. T. in die Jahresberichte ein, die an das Innenministerium zu richten waren. Dazu schreibt Michael Stephan: „Neben dem jährlichen Hauptbericht wurden von Montgelas zeitweise oft tägliche Berichte angefordert, später waren wöchentliche Berichte üblich. Sie stellten eine wichtige Informationsquelle für das Innenministerium dar (und sind es heute für die Geschichtsforschung) über die Sicherheitslage, über politische Entwicklungen, die Stimmung in der Bevölkerung, aber auch über die wirtschaftliche und landwirtschaftliche Situation sowie gesellschaftlichen Klatsch. Die Wochenberichte wurden 1919 durch Halbmonatsberichte ersetzt. Ab 1934 gab es nur noch Monatsberichte, ab 1954 Vierteljahresberichte, ab 1960 Halbjahresberichte, bis sie 1970 ganz eingestellt wurden.“10
Mit der Genauigkeit, wie sie diese Beschreibung der Aufgaben des Generalkreiskommissariats zeigt, legte das Ministerium auch den Personalkörper der Behörde fest. Neben dem Generalkreiskommissar gab es einen Kanzleidirektor, 4 Kreisräte für die allgemeinen Aufgaben, einen Kreisschulrat, einen Kreismedizinalrat, 2 Ratsakzessisten, 2 Sekretäre, 2 Registratoren, 5 Kanzlisten, einen Kanzleidiener und 2 Boten, insgesamt 22 Personen. Nach 1815 kamen noch technische Beamte für das Bau- und Gewerbewesen dazu, an den Finanzkammern Vermessungs- und Forstbeamte.
Die Hauptlandespragmatik vom 1. Januar 1805 — sie galt bis 1908, allerdings nur für Teile der Beamtenschaft — hatte die Voraussetzung für ein modernes Berufsbeamtentum geschaffen. An die Stelle der Zugehörigkeit zu einem Stand (meist dem Adel) trat die Qualifikation für den Zugang zu öffentlichen Ämtern. Der Beamte war von den Ministerien abhängig; sie sorgten dafür, dass der Staat „funktionierte“. Ausbildung, Staatsprüfungen und Qualifikationen auf der einen Seite, eine sichere Alimentation (auch der Hinterbliebenen), Schutz vor willkürlicher Entlassung auf der anderen Seite waren Voraussetzung und Grundlagen für die Diener des Staates, natürlich auch bedingungslose Pflichterfüllung und Loyalität. „So entstand eine Art neuen Dienstadels, der dem Staat nicht nur als Instrument zur Verfügung stand, sondern ihn geradezu verkörperte.“11 Bayern war in der Einführung des Berufsbeamtentums anerkannt und führend weit über seine Grenzen hinaus. Noch eine Aufgabe hatte die Konstitution von 1808 den Generalkreiskommissaren zugewiesen, die allerdings Montgelas unterband. Für jeden Kreis war eine Kreisversammlung vorgesehen mit dem Wahlrecht zur Nationalversammlung (Titel III §4). Nach einem komplizierten Verfahren, bei dem die Steuerveranlagungen eine erhebliche Rolle spielten, sollten 7 Mitglieder aus der Kreisversammlung zu einer Nationalrepräsentation gewählt werden. Die Leitung der Kreisversammlung hätte der König auf den Generalkreiskommissär übertragen können. Immerhin deutet sich hier ein neues Verhältnis von Staat und Gesellschaft, von Bürger und Obrigkeit an. Es handelt sich um die ersten Ansätze einer Bürgervertretung. Die Kreise waren Wahlbezirke, der Generalkreiskommissär Wahlleiter.
Neben dem Generalkreiskommissariat existierte ab 1808, von diesem getrennt, als besondere Mittelstelle die Kreisfinanzdirektion. Dieser waren die Rentämter auf der unteren Ebene zugeordnet.
Mit Maximilian Graf von Lodron als erstem Generalkreiskommissär konstituierte sich die erste staatliche Mittelbehörde in Regensburg als Folge der Eingliederung der ehemals Freien Reichsstadt in das Königreich Bayern. Lodron waren 7 Jahre relativer Ruhe vergönnt.
Im Jahr 1817 überschlugen sich jedoch die Ereignisse erneut. Am Ende des Jahres sah vieles anders aus als am Beginn. Am 2. Februar 1817 musste Maximilian Joseph Graf von Montgelas, zuletzt Finanz- und Innenminister des Königreiches Bayern, seinen Hut nehmen. Er wurde von einer oppositionellen Gruppe gestürzt, angeführt von Kronprinz Ludwig und Feldmarschall Fürst Wrede, dem Oberbefehlshaber der bayerischen Armee. Von 1799 bis 1817 war Montgelas die führende politische Persönlichkeit in Bayern. Er gilt zurecht als der Vater des modernen Bayern. Seine Reformen trugen die Handschrift seines aufgeklärten Geistes; sie waren zu diesem Zeitpunkt trotz mancher Kritik weitgehend unumkehrbar. So hatte beispielsweise die Untergliederung des Landes in etwa gleichgroße Kreise Bestand. Dennoch, bereits am Tag von Montgelas’ Entlassung vollzog sich der Kurswechsel in der bayerischen Innenpolitik.
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Neben der Konstitution von 1808 wurden auch die Generalkreiskommissariate und die Einteilung der Kreise revidiert. Bereits am 20. Februar verfügte eine Verordnung die angekündigte territoriale Neugliederung.12 Das Königreich Bayern bestand jetzt nur noch aus 8 Kreisen, die teilweise neu zugeschnitten wurden. Der Innkreis entfiel.
Warum kam es zu einer erneuten Änderung der Kreiseinteilung? Nach der Niederlage Napoleons in den Befreiungskriegen hatte Bayern im Vertrag von Paris vom 30. Mai 1814 Tirol und Vorarlberg an Österreich abgetreten, aber das Großherzogtum Würzburg und Aschaffenburg erhalten. Zwei Jahre später, im Vertrag von München, hatte Bayern Salzburg, das Inn- und das Hausruckviertel verloren. Schließlich wurde aus 43 reichsunmittelbaren Territorien die linksrheinische Pfalz gebildet. Das Königreich hatte nun in etwa den Umfang des heutigen Bayern. Manfred Tremi stellt dazu fest: „Am Ende dieses Prozesses umfasste Bayern im Jahre 1818 über 75 000 Quadratkilometer gegenüber 61 200 vor 1803; seine Bevölkerung hatte sich gegenüber dem Stand unter Karl Theodor von 1,9 Millionen auf 3,7 Milhonen nahezu verdoppelt. Anders als das alte Bayern war das neue Staatsgebiet auch konfessionell gemischt: 75 Prozent der Bevölkerung waren katholisch, 23,8 Prozent evangelisch, wobei die Protestanten in den neubayerischen Gebieten dominierten. Eine kleinere jüdische Bevölkerungsgruppe lebte vor allem in den ländlichen Gebieten Frankens und Schwabens.“13
Der Regenkreis verkleinerte sich damals im Osten um die Landgerichte Cham und Kötzting. Im Westen erweiterte er sich um die Landgerichte Neumarkt, Beilngries, Ingolstadt und Kipfenberg.
Knapp einen Monat nach Erlass der Verordnung endete die Amtszeit des ersten Generalkreiskommissärs des Regenkreises in Regensburg. Am 19. März 1817 wurde Graf von Lodron zum Präsidenten des Bayerischen Obersten Rechnungshofes ernannt. Sein Nachfolger wurde Konrad Freiherr von Dörnberg, bisher Generalkreiskommissär im Rezatkreis.14
Die Formationsverordnung vom 27. 3. 1817
Eine nachhaltige Veränderung für die 8 Kreise und damit für den Regenkreis, brachte die Verordnung vom 27. März 1817}15. Sie ergänzte, erweiterte und präzisierte die Instruktion für das Generalkreiskommissariat von 1808. Ihr sichtbarstes Ergebnis: Die Kreisfinanzdirektionen, Mittelbehörden für Finanzen auf der Kreisebene, wurden aufgelöst. Dagegen wurde bei den Generalkreiskommissariaten eine zweite Kammer gebildet, die Kammer der Finanzen. Vorstand der erweiterten Behörde blieb der Generalkreiskommissär. Diese Gliederung bestand bis 1920, bis die Kammer ausgegliedert und selbstständige Oberbehörde in der neu errichteten Reichsfinanzverwaltung wurde. Der Generalkreiskommissär war als Präsident der Regierung zuständig in allen Angelegenheiten der beiden Kammern (§2). Als entscheidende Behörde im Bereich der Verwaltungs-, Finanz- und Disziplinargerichtsbarkeit, aber auch bei Anordnungen wirkten beide Kammern kollegial zusammen. Vermutlich erstmals in Bayern tauchte damit die Bezeichnung „Regierungspräsident“ auf. Darin kam eine weitere Verselbstständigung der Regierung als Mittelbehörde zum Ausdruck. Ansehen und Einfluss der Behörde und ihres Präsidenten hatten also weiter zugenommen. Als Generalkommissär hatte er nach wie vor eigenverantwortlich die von München kommenden Weisungen umzusetzen; als Regierungspräsident war er in das Kollegium Regierung eingebunden. Die Wiederherstellung des Kollegialsystems, das Montgelas in seinem Anspruch auf Souveränität auch im Inneren des Staates stark eingeschränkt hatte, war ein wesentliches Element der neuerlichen Verwaltungs-Reform von 1817. Seit der o. g. Verordnung ist nur mehr vom Generalkommissär die Rede, wenn es um den Vollzug Münchner Vorgaben ging, seine Behörde war nun die Kreisregierung.Der Begriff Regierungsbezirk wird erstmals in der Verfassung vom 26.5.1818 verwendet und meint den Kreis als Wahlbezirk. Er taucht wieder auf im „Gesetz, die Einführung der Landräthe betreffend“, vom 15. 8.1828. Seine endgültige und ausschließliche Verwendung findet er erst in der Bezirksordnung für den Freistaat Bayern vom 27.7.1953.
Damals wurde der Wirkungskreis der Kammer des Inneren nochmals erweitert. In § 3 heißt es: „In die Geschäfts-Sphäre der Kammern des Inneren insbesondere fallen die staatsrechtlichen und militärischen Angelegenheiten, soweit letztere den Civil-Behörden zuständig sind; die Angelegenheiten der Religion und des Kultus; jene der öffentlichen Erziehung; der Bildung; des Unterrichts und der öffentlichen Sitten; das Medicinalwesen; die gesamte Landes-Polizei; das Kommunal- und Stiftungswesen; und die allgemeine Statistik, mit der in alle diese Zweige einschlagenden Dienst-Uebersicht und Dienst-Ordnung, nebst der Gerichts-Polizei.“
Die Kreisregierung wurde nun vorgesetzte Dienststelle aller Außenämter, auch der Forst- und Rentämter. Hierher gehört auch die Aufsicht über die Städte mit Magistratsverfassung. Denn das Gemeindeedikt vom 17. Mai 181816 stellte die kommunale Selbstverwaltung weitgehend wieder her. Sie war von Montgelas in den Jahren 1803 bis 1808 stufenweise abgebaut worden. Die erhebliche Aufgabenmehrung bewirkte eine Zunahme an Personal. Die Kammer des Inneren umfasste nunmehr 40 Beamte, die Kammer der Finanzen 26. Ebenfalls 1817 wurde das amtliche Veröffentlichungswesen neu geordnet. Es wurde das (bayerische) Gesetzblatt gegründet und gegen die Regierungsamtsblätter abgegrenzt. Damit wurde ein weiterer Schritt zu einem rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug getan.17 Gut sieben Jahre später erfuhren die Generalkreiskommissariate die nächste Änderung. In weniger als 17 Jahren wurde ihr Gefüge zum dritten Mal geändert.
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1825 erhielt die Behörde die Form, die im Grunde bis 1957 Bestand hatte. Die Formationsverordnung vom 17. Dezember 182519 regelte Aufbau, Wirkungskreis und Geschäftgang der Kreisregierungen bis ins Detail. Sie verfeinerte und ergänzte so die Verordnungen von 1808 und 1817. Insgesamt 156 Paragrafen umfasste sie. Was waren die Gründe für die neuerlichen Veränderungen? Am 19. Oktober 1825 hatte König Ludwig I. den Eid auf die Verfassung geleistet. Mit der bald darauf erlassenen Verordnung wollte Ludwig zwei Ziele erreichen: Die Staatsfinanzen sollten saniert und die Verwaltung gestrafft und effektiver gestaltet werden. Beide Bestrebungen hingen natürlich zusammen. Ludwig wollte insbesondere einen Stellenabbau bei den Kreisregierungen erreichen.
Die Verordnung brachte eine Abgrenzung der Kompetenzen der einzelnen Ämter auf den drei Ebenen der Staatshierarchie. Der Entscheidungsspielraum der einzelnen Behörden innerhalb ihres Wirkungskreises wurde auf diese Weise betont (§§ 18,19). Die Kompetenz der unteren Behörde sollte „in keiner Weise geschmälert werden“; ihr sollte „das eigentliche Detail der Verwaltung überlassen bleiben“. Regierungspräsident Dr. Ernst Emmerig schreibt: „Hier wird eine Abkehr von dem strengen Prinzip der Zentralisierung, das der Neuregelung durch Montgelas zugrunde gelegen war, und der damit verbundenen Lähmung der Initiative bei den Mittel- und Unterbehörden wenigstens in Ansätzen deutlich sichtbar.“20 Für den Leiter der Kreisregierung bedeutete dies, „aus eigener Kompetenz und ohne weitere Anfrage selbstständig zu handeln“ (§16). Kollegiale Entscheidungen waren nur noch dort zugelassen, wo die Kreisregierung als Gericht tätig wurde. Alle anderen Aufgaben wurden büromäßig entschieden. Der Behördenvorstand war allein verantwortlich. Die Einführung des bürokratischen Prinzips im Geschäftsgang der Kreisregierungen war eine Übertragung der hierarchischen Ordnung auf die innere Struktur der Verwaltung.
Der größte Fortschritt für alle Kreisregierungen, der weit über den Tag und über den reinen Wortlaut der Verordnung hinaus Bedeutung hatte, war die erstmalige gesetzliche Verankerung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Verwaltung. Was für heutige Verwaltungen selbstverständlich ist und was vor den zuständigen Gerichten einer rechtlichen Kontrolle unterzogen werden kann, wurde erstmals schriftlich niedergelegt. Die Bindung des Staates an Recht und Gesetz fand nun auch in der Verwaltungstätigkeit ihren gesetzlichen Niederschlag. Die genaue Beachtung der Verfassung (§ 13) und die Ausrichtung aller Maßnahmen an den bestehenden Gesetzen und Verordnungen wurde zur Pflicht gemacht (§14). Diese Grundsätze waren auch von Unterbehörden einzuhalten und von den Aufsichtsbehörden zu überwachen (§15). §6 der Verordnung von 1825 bestimmte, dass einem der beiden Direktoren der Regierung der Titel und Rang eines „Vice-Präsident“ verliehen werden kann, jedoch ohne Anspruch auf ein höheres Gehalt. Der Titel Vizepräsident dürfte so erstmals in der damals noch jungen Geschichte der Mittelbehörde aufgetaucht sein. Seine endgültige Einführung geschah erst 1939, als die Regierungspräsidenten vorübergehend politische Beamte und damit leicht auswechselbar wurden.
Erst das Zweite Rechtsbereinigungsgesetz vom 15.7.195721 setzte die Formationsverordnung von 1825 außer Kraft. Mehrmals in den 132 Jahren ihres formellen Bestehens wurde auf eine mögliche Neufassung Bezug genommen. So beginnt beispielsweise die Verordnung zur Bildung von Abteilungen bei den Regierungen vom 15.5.1920: „Bis zu einer Neufassung der Verordnung vom 17.12.1825 ...“. Ähnliches machte auch die Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 27.9.1946, indem sie mit ihrem Art 13 Abs. 1 Nr. 1 den Art 19 b der Formationsverordnung aufhob. Mit diesem war den Landgerichten die Entscheidung über Verwaltungsstreitigkeiten auf der unteren Ebene zugesprochen worden. Jetzt wurden dafür eigene Verwaltungsgerichte geschaffen. Darauf wird noch später einzugehen sein.
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Letzte Etappe in der Entstehung der heutigen Regierung der Oberpfalz waren die Regelungen der Verordnung vom 29. November 183722. Die Regierungen, auch die der Oberpfalz, erhielten ihre heutige Bezeichnung und ihr heutiges Gebiet. Ihre beinahe 30 Jahre dauernde Entstehungsgeschichte als Mittelbehörde war weitgehend zu einem Abschluss gekommen. Ihre Stellung im Staat, ihre Aufgaben und ihre Gebietskulisse hatten 1837 ein Stadium erreicht, das im Grundsatz bis heute seine Gültigkeit hat.
1837! Generalkommissär war nun der frühere Innenminister Dr. Eduard von Schenk. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des königlichen Wappens und der offiziellen Königstitulatur („König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und Schwaben“) im Jahr 1835 entschloss sich König Ludwig L, die Kreise nach historischen Gesichtspunkten umzubenennen. Michael Stephan schreibt dazu: „In romantischer Frontstellung zum aufklärerischen Montgelas’schen Prinzip, das jeden Provinzgeist bekämpft hatte, sah der König in einem maßvollen neubayerischen Regionalismus ein Element zur Stärkung der bayerischen Staatsintegration. Relativ autokratisch verfügte der König mit der Verordnung vom 29.11.1837, dass die acht Kreise nicht mehr wie bisher nach Flüssen benannt sein, sondern die historischen Namen der in Bayern. vereinigten deutschen Volksstämme ‘ tragen sollten, um — wie es pathetisch in der Präambel heißt —, die alten geschichtlich geheiligten Marken der Uns untergebenen Lande möglichst wieder herzustellen, die Einteilung Unseres Reiches und die Benennung der einzelnen Haupt-Landesteile auf die ehrwürdige Grundlage der Geschichte zurückzuführen‘.“23
Verfasser der Verordnung, die am 1. Januar 1838 in Kraft trat, war sehr wahrscheinlich Dr. Eduard von Schenk, enger Vertrauter König Ludwigs. Aus dem Regenkreis wurde nun Oberpfalz und Regensburg. In dieser Bezeichnung des Kreises lebte der alte, seit dem 16. Jahrhundert gebräuchliche und im Gegensatz zur Rheinpfalz entstandene Name „Obere Pfalz“ wieder auf. Der Regierungsbezirk führte seinen Doppelnamen bis zum 1. April 1932. Damals wurden Niederbayern und die Oberpfalz zur Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz zusammengelegt.24 Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise erzwangen Maßnahmen der Staatsvereinfachung. Als mit Gesetz vom 2. April 194825 beide Regierungsbezirke wieder getrennt wurden, griff man nur noch auf die Bezeichnung Oberpfalz zurück.
Auch das Gebiet des Kreises änderte sich noch einmal. Das Landgericht Cham, das 1817 in den Unterdonaukreis umgegliedert worden war, kehrte in die Oberpfalz zurück, ebenso die Landgerichte Eschenbach, Kemnath, Neustadt a. d. Waldnaab, Tirschenreuth und Waldsassen; sie waren 1810 zum Mainkreis gekommen. Das Gebiet der Oberpfalz umfasste nunmehr jene Teile, die bis zur Landkreisgebietsreform 1972 nahezu unverändert unseren Regierungsbezirk ausmachten.
Schließlich verfugte die Verordnung, dass der Vorstand der Kreisregierung nur noch den Titel Regierungspräsident führt. Der Titel Generalkommissär wurde abgeschafft. Die Behördenleiter waren nun endgültig nicht mehr reines Vollzugsorgan Münchner Vorgaben. Eduard von Schenk wurde also der erste Regierungspräsident der Oberpfalz. Die Regierungen hatten ihre heutige Stellung als selbstständige Mittelbehörde innerhalb der Organisation der Inneren Verwaltung erreicht.
Wilhelm Volkert stellt zu Recht fest: „Wie wenige Organisationsmaßnahmen der Staatsverwaltung hat die Kreiseinteilung Bayerns die Turbulenzen der bayerischen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert überdauert ... Als Organisationsrahmen prägt sie nicht nur die Staatsverwaltung, sondern auch das Gefüge berufsständischer Verbände und der Parteien ... Mag der historisch begründet Stammesbezug nun zutreffen oder nicht: Die 150jährige Geschichte der Namen hat den Intentionen Ludwig I. recht gegeben.“26
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Spektakuläre und weitreichende Änderungen in der Gebietskulisse der Regierungen gab es nach 1837 nicht mehr. Diese waren erst den Gebietsreformen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts vorbehalten, wenn man von einigen kleinen Änderungen absieht. Immerhin entstanden bis 1908 13 neue Bezirksämter. 1880 kam das Bezirksamt Beilngries zur Oberpfalz, während das Bezirksamt Hilpoltstein nach Mittelfranken umgegliedert wurde. An die Stelle der Bezirksämter Hemau und Velburg trat 1880 das Bezirksamt Parsberg. 1900 entstand das Bezirksamt Oberviechtach, 1908 Riedenburg. Umgekehrt wurden zwischen 1929 und 1931 sechs Ämter aufgehoben, darunter auch das Bezirksamt Stadtamhof; es wurde 1929 in das Bezirksamt Regensburg eingegliedert.27 „Durch die wirtschaftliche und technische Entwicklung, aber auch durch das Bevölkerungswachstum und den medizinischen Fortschritt wuchsen ihnen (den Regierungen) aber mit jedem Jahr neue Aufgaben zu, was sich auch in einer stetigen Vermehrung der Stellen bemerkbar machte. So traten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zur Kammer des Inneren noch ein Kreistierarzt hinzu, ein Kreisbaubüro (mit Kreisbauräten und -assessoren), ein Kreismedizinalausschuss sowie ein Fabrik- und Gewerbeinspektor.“ (Von letzterem wird noch später die Rede sein.) „Zur Kammer der Finanzen mit ihren Rechnungskommissaren und Fiskalbeamten kamen Vermessungsbeamte (Kreisgeometer) hinzu.“28
Hinsichtlich der Qualifikation von Beamten und ihrer Besoldung kam es allmählich zu Regelungen, die unser heutiges System erkennen lassen. Mit der Verordnung vom 5.8.184029 trug man beispielsweise dem gestiegenen Mitarbeiterbedarf Rechnung. Für Regierungssekretäre, Registratoren und Rechnungskommissäre war ein abgeschlossenes Universitätsstudium nicht mehr erforderlich. Man erwartete aber die Bewerbung „qualifizierter Individuen“ mit Gymnasialabschluss und erlangter praktischer Befähigung.
Die Sparmaßnahmen König Ludwigs I. hatten auch vor den Staatsdienern nicht Halt gemacht. Allerdings bewahrte die Hauptlandespragmatik vom 1.1.1805 Teile der damaligen Beamtenschaft vor dem schlimmsten, nämlich der (grundlosen) Entlassung; sie waren unkündbar. In kleinen Schritten wurden die Bezüge erhöht. So hob man das sog. Standesgehalt nach jedem der ersten drei Dienstjahre um ein Zehntel an. Das Gehalt wurde damals unterteilt in ein Dienstgehalt, das grundsätzlich mit der Beendigung des Dienstes wegfiel, und in ein Standesgehalt, das auch nach dem Dienstende weiterbezahlt wurde. Außerdem wurden die Beamten nach 3 Dienstjahren endgültig angestellt.30 Diese Fortschritte waren allerdings erst nach der Abdankung König Ludwigs I. (22.3.1848) möglich und eine Folge der Revolution von 1848. 1856 beschloss übrigens der bayerische Landtag, dass die Bezüge der Beamten nur noch in Geld auszuzahlen, also nicht mehr teilweise mit Getreidebezug zu verrechnen seien. Natürlich erhöhten sich dadurch die Gehälter. 1928 erst wurde die Besoldungsordnung des Freistaates der des Reiches angeglichen. Das bedeutete die bis heute übliche Einteilung in die Besoldungsgruppen Al—A12 mit aufsteigenden Gehältern und B1—B5 mit festen Gehältern. Die Besoldung war wenigstens einigermaßen den Lebensverhältnissen angepasst. Die damit einhergehenden Änderungen der Berufsbezeichnung („Titelwirtschaft“) ließen allerdings häufig keinen Bezug mehr erkennen zur Tätigkeit des jeweiligen Beamten.
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Die Revolution von 1848 und ihre liberalen Forderungen brachten für Verwaltung und Justiz u. a. das sog. Grundlagengesetz vom 4.6.184031, die Grundlagen der Gesetzgebung über die Gerichtsorganisation, über das Verfahren in Civil-und Strafsachen und über das Strafrecht betreffend. Es regelte die Rechtspflege in Bayern neu. So hob es die privilegierten Gerichtsstände auf (adlige Grundherrschaft und damit verbunden Herrschafts- und Gerichtsrechte; Patrimonialgerichte). Es regelte die Unabsetzbarkeit der Richter, die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, die Einführung von Schwurgerichten und die Trennung von Justiz und Verwaltung auf der unteren Ebene. Artikel 1 bestimmte: „Die Rechtspflege soll von der Verwaltung, selbst in den untersten Behörden gänzlich getrennt werden.“ Nicht zuletzt aus Kostengründen, aber auch aus politischen und organisatorischen Gründen (Neuorganisation der gesamten Gerichtsverfassung; Einrichtung der neuen Verwaltungsämter) dauerte es noch 14 Jahre, bis diese Forderung erfüllt wurde. Am 10.11.186132 wurde das Gerichtsverfassungsgesetz erlassen, das Rechtspflege und Verwaltung auf der unteren Ebene endgültig trennte. Die Kreise wurden in Bezirke mit je einem Bezirksamt eingeteilt. Diese fungierten ab 1.7.1862 als Verwaltungsbehörden, die Landgerichte nahmen nur noch ihre gerichtlichen Aufgaben wahr. Die Aufsicht über die Bezirksämter hatten die Kreisregierungen. An der Spitze stand der Bezirksamtmann als staatlicher Beamter mit einem Assessor. Die Sprengel der neugeschaffenen Bezirksämter wurden durch die Angabe der zugehörigen Sprengel der Landgerichte beschrieben. Bereits 1852, wurde für das Gebiet eines jeden Landgerichts — damals noch als untere Verwaltungsbehörde tätig — eine „Distriktsgemeinde“ als überörtlicher Aufgabenverband (Vorläufer der heutigen Landkreise als Selbstverwaltungskörperschaft) gebildet. Die Sprengel der Distriktsgemeinden wurden 1862 nicht den neuentstandenen Bezirksämtern angepasst. Das hatte zur Folge, dass bis 1919 viele Bezirksämter mehrere Landgerichte und damit mehrere Distriktsgemeinden umfassten. Die neuen Bezirke, der Umfang der Distriktsgemeinden und die Sprengel der alten Landgerichte waren also nicht deckungsgleich. Eine Vollzugsverordnung zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24.2.186233 legte die Gerichtssitze und die Bestellung der Beamten fest.
„1862 waren in Bayern neben den bestehenden 250 Landgerichten, die weiterhin die unteren Gerichte waren, 142 Bezirksämter als Verwaltungsbehörden eingerichtet worden. 7 Bezirksämter umfassten dabei drei Landgerichtssprengel, 94 immerhin zwei. Nur in 41 Fällen waren Bezirk und Landgerichtssprengel deckungsgleich. Man konnte nahezu von einer Verdoppelung der Ämter sprechen. Sie löste einen enormen Gebäudebedarf aus. Der Personalbestand sollte durch die Neuverteilung der Landrichter und Landgerichtsassessoren auf die Justizstellen und die Verwaltungsämter konstant gehalten werden.“34
Die deutliche Zunahme von Behörden stieß auch auf Kritik. Viele Bürger sahen die Vermehrung der Ämter mit großen Vorbehalten. Beamte waren angeblich auch damals schon kostspielig, wenig effektiv und mischten sich zu sehr in ihre Angelegenheiten ein. 1878 kam es deshalb erneut zu einem Vorstoß im Landtag. Die Verwaltung solle einer größeren Kontrolle unterworfen werden. Im Ergebnis führte diese Diskussion zur Errichtung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Er nahm seine Tätigkeit am 1.10.1879 auf.
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Die Gründung des Deutschen Reichs 1871 berührte die Kreisregierungen unmittelbar überhaupt nicht. Die Behördenorganisation blieb Sache der Länder. Natürlich wirkte sich die Rechtsvereinheitlichung, welche die Reichsgesetze insbesondere im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung anstrebten, im täglichen Vollzug aus.
1871 wurde das Königreich Bayern Teil des Deutschen Reiches (Proklamation am 18. Januar im Spiegelsaal von Versailles). Die Reichsverfassung vom 16.4.1871 überließ den Ländern die Organisation der Landesbehörden, nicht jedoch der gerichtlichen Verfahren. Die neue Zivil- und Strafprozessordnung sowie die Konkursordnung traten am 1.10.1879 in Kraft. Sie hatten naturgemäß Auswirkungen auf die Einteilung der Gerichtssprengel und führten zu einer umfassenden Funktionalreform der gesamten Ordentlichen Gerichtsbarkeit. Zwei Zielrichtungen waren erkennbar: Eine Übereinstimmung der Sprengel der Amtsgerichte und der Bezirks- und Rentämter und, aus Kostengründen, eine Verringerung der Zahl der Ämter. Trotz entsprechender Gesetzesinitiativen der Regierung konnte sich der Landtag noch nicht zu geeigneten Lösungen durchringen. Immerhin machte ein Ausschuss am 17.1.1878 entsprechende Empfehlungen, allerdings nur „soweit es die Interessen der Staatsangehörigen gestatten“. Der Landtag beschloss am 12.7.1878 die Vorlage weitgehend. Aber jene Städte und Märkte, die als Sitz eines Amtes vor allem wirtschaftlich von diesem profitierten, wehrten sich letztlich erfolgreich gegen eine konsequente Umsetzung. Man hoffte schließlich, dass ein zu gründender bayerischer Verwaltungsgerichtshof eine Verwaltungsreform durchführen würde.35 In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nahm man nochmals Anlauf zu einer Reform vor allem der unteren Verwaltungssprengel. Aber erst ab 1971 setzte die bayerische Staatsregierung eine Verwaltungsreform mit Zustimmung des bayerischen Landtags durch.
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Wie stellte sich die zu leistende Arbeit in den Kreisregierungen dar? Insbesondere nahm der Umfang der fachbezogenen Aufgaben zu, was zwangsläufig Auswirkungen auf ihre Organisation und die Zahl der Beschäftigten hatte. Hier spiegelt sich die Veränderung in Wirtschaft und Landwirtschaft wider, aber auch die Zunahme sozialer Fragen. Diese Entwicklung lässt sich besonders anhand der Forstverwaltung36 und der Gewerbeaufsicht37 in den Kreisregierungen aufzeigen.
Die Forstverwaltung
Die Säkularisation von 1803 hatte dazugeführt, dass riesige Waldflächen der Kirchen und Klöster in den Besitz des bayerischen Staats übergingen. Auch die erheblichen Landgewinne zu Beginn des Jahrhunderts vergrößerten den staatlichen Waldbesitz. Das Königreich Bayern war sich der fiskalischen Seite dieses Zuwachses sofort bewusst. Zunächst schuf man mit Verordnung vom 27.8.1807 das sog. Oberste Forstamt-, es war direkt dem Finanzministerium unterstellt. Mit Verordnung vom 25.8.1808 wurde dieses Kollegialorgan zur Generalforstadministration. Die Zentralisation bewährte sich jedoch nicht. Die Verordnung vom 14.7.1818 löste schließlich die Generalforstadministration auf. Bereits 1813 wurde das Forstrechnungswesen den 1808 geschaffenen Kreisfinanzdirektionen zugewiesen. Ab 1816 waren die Forstinspektoren Referenten des Kreisfinanzdirektors. Mit dem Zusammenschluss der Kreisfinanzdirektionen und der Generalkreiskommissariate 1817 war das Forst- und Jagdwesen in dieser Behörde verankert. Spätestens mit der Formationsverordnung vom 17.12.1825 war es Teil der Kammer der Finanzen und damit des Generalkreiskommissariats. Von da an war die Forstverwaltung dreistufig aufgebaut. 1885 kam es zu ihrer erneuten Reform. Ministerialrat August von Ganghofer, der Vater des berühmten Schriftstellers, war als Chef der Ministerialforstverwaltung und Leiter des bayerischen Forstwesens ihr Initiator. Die Verordnung vom 19.2.1885 wandelte das sog. Kreisforstbüro zur Kreisforstabteilung innerhalb der Kammer der Finanzen. Sie stand unter der Leitung eines Oberforstrats und erledigte ihre Geschäfte teilweise unter Aufsicht des Regierungspräsidenten, teilweise unter Mitwirkung des Direktors der Kammer der Finanzen.
1908 kam es noch einmal zu organisatorischen Veränderungen durch den Bedeutungszuwachs des Forstbereichs. „Die steigende Bedeutung des Waldes für die Volkswirtschaft, die intensive Nutzung des Waldes durch Dritte (um 1900 gab es um die 125000 Forstberechtigte in den staatlichen Wäldern), die wachsende Tätigkeit der Forstverwaltung für den Gemeinde- und Privatwald (der 2/3 des gesamten Waldes ausmachte) sowie die verbesserten Verkehrsverhältnisse im Zuge des Ausbaus der Eisenbahnen (insbesondere der Vizinalbahnen = Lokalbahnen) hatten neue Aufgaben und Möglichkeiten gebracht, die neue Organisationsstrukturen wünschenswert machten.“38 Mit der Verordnung vom 15.12.1908 wurden deshalb die Forstabteilungen aus den Kammern der Finanzen herausgelöst und zu selbstständigen Geschäftsstellen gemacht. Sie waren nun den Kammern des Inneren und der Finanzen gleichgestellt. Nur die Forst- und Jagdpolizei und die Oberaufsicht über die Bewirtschaftung von Gemeinde-, Stiftungs- und Körperschaftswald blieb bei den Kammern des Inneren. Insoweit diente die Kammer der Forsten als technisches Organ.
Die Zusammenlegung der Regierungen von Niederbayern und der Oberpfalz (und von Regensburg) 1932 führte zu einer Vereinigung der beiden Forstabteilungen. Die Verordnung vom 3.4.193539 gliederte die Kammer der Forsten aus als selbstständiges Regierungsforstamt. Die Wiederherstellung der Regierungsbezirke Niederbayern und der Oberpfalz 1948 änderte daran nichts mehr. Es blieb beim Regierungsforstamt Niederbayern-Oberpfalz, seit 1956 als Oberforstdirektion Regensburg. Sie wurde am 1.7.2005 aufgelöst.
Gewerbeaufsicht
Bereits vor Inkrafttreten der Gewerbeordnung vom 17.7.1878 als Reichsgesetz gab es in Bayern Anläufe, Bereiche zu regeln, die später Gegenstand der Gewerbeordnung wurden. Insbesondere die extrem langen Arbeitszeiten, welche die beginnende Industrialisierung von der Mitte des Jahrhunderts an mit sich brachte und die hohe Unfallgefahr, die von den technisch noch wenig ausgereiften Maschinen ausging, forderten ein staatliches Handeln geradezu heraus. Der Vollzug der Verordnung vom 17.2.187940 kann als Geburtsstunde der Gewerbeaufsicht in Bayern bezeichnet werden: König Ludwig II. bestellte drei „Fabrikinspektoren“, die dann an den Kammern des Inneren in München, Nürnberg und Speyer tätig waren. Der Nürnberger Fabrikinspektor war für die Oberpfalz zuständig. Nur Bewerber mit wissenschaftlicher/fachlicher Ausbildung kamen infrage. Die Sicherheit von Leben und Gesundheit der Arbeiter stand im Vordergrund ihrer Tätigkeit. 1892 erhielt jede der 8 Kreisregierungen ihren eigenen Fabrikinspektor. Zur Verfolgung gesetzeswidrigen Verhaltens bedienten sich die Fabrikinspektoren der Polizei. Am 1.9.1902 schuf man die Stelle eines Zentralinspektors für Fabriken und Gewerbe im Staatsministerium des Inneren. Am 1.5.1905 wurde sein Amt dem Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren angegliedert. Seit der Verordnung vom 7.2.1907 ist die heutige Bezeichnung des Gewerbeaufsichtsbeamten üblich. Als eigenes Referat wurde die Gewerbeaufsicht 1918 in das neu geschaffene Ministerium für Soziale Fürsorge eingegliedert, 1928 in das Ministerium für Landwirtschaft und Arbeit, 1932 schließlich in das für Wirtschaft.
In den Kreisregierungen wurde die Dienststelle der Gewerbeaufsicht 1938 zum Gewerbeaufsichtsamt41. Dort blieb sie formell bis zum 31.12.1983. Seitdem ist sie eine selbstständige Behörde, die im Laufe der Zeit unterschiedlichen Ministerien zugeordnet war. So stellte der zuständige Sachgebietsleiter der Regierung der Oberpfalz in einem Schreiben vom 22.4.1969 an seinen Abteilungsleiter zur Stellung des Gewerbeaufsichtsamtes im allgemeinen Behördenaufbau fest: „Das Gewerbeaufsichtsamt hat sich aus einer Dienststelle des Gewerbeaufsichtsbeamten bei den Regierungen entwickelt ... Diese Behörde ist von ihrer ursprünglichen Aufgabe des gewerblichen Arbeits- und Unfallschutzes, zu einer Gutachterstelle, erstinstanzlichen Sachentscheidungs- (Erlaubnis- und Genehmigungs-) behörde und schließlich Ahndungsbehörde herangewachsen. Das Gewerbeaufsichtsamt ist der Regierung beigeordnet und untersteht deren Dienstaufsicht. Fachlich und sachlich ist es eine Behörde der Arbeitsverwaltung. Diese unerquickliche Stellung der Gewerbeaufsichtsämter sollte zweifellos organisationsrechtlich klargestellt werden.“ Am 1.1.2005 wurden die Gewerbeaufsichtsämter wieder den Regierungen angegliedert.
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Wesentlich einschneidender stellte sich für die Kreisregierungen das Jahr 1918 und seine Folgen dar. In der Nacht vom 7. auf 8. November 1918 endete die Monarchie in Bayern. In den Morgenstunden des 8.11.1918 rief Kurt Eisner die Republik Bayern aus und erklärte: „Alle Beamten bleiben in ihren Stellungen. Die Beamten und die Armee werden auf die neue Regierung vereidigt.“ Auch das vorläufige Bayerische Grundgesetz vom 4.1.1919 versichert: „Die Rechte der Beamten bleiben unangetastet.“42 Die Regierungspräsidenten und ihre Beamten blieben in ihren Ämtern.
Viele Beamte fühlten sich allerdings dem Treueeid, den sie König Ludwig III. geschworen hatten, verpflichtet. Nach einigen Bedenken verfasste Ludwig III. am 13.11.1918 eine Erklärung, in der es u. a. hieß: „Nachdem ich infolge der Ereignisse der letzten Tage nicht mehr in der Lage bin, die Regierung weiterzuführen, stelle ich allen Beamten, Offizieren und Soldaten die Weiterarbeit unter den gegebenen Verhältnissen frei und entbinde sie des geleisteten Eides.“
Weder die neue Reichsverfassung vom 11.8.1919 (Weimarer Verfassung), noch die bayerische Verfassung (Bamberger Verfassung) vom 14.8.1919 hatten unmittelbare Auswirkung auf die Kreisregierungen. Die Reichsverfassung sprach nunmehr von Ländern und schrieb die republikanische Staatsform fest trotz der Verfassungsautonomie der Länder. Bayern bezeichnete sich als Freistaat und schuf eine eigene bayerische Staatsangehörigkeit. Es unterstrich damit seine Eigenständigkeit.
Eine einschneidende und offensichtlich nicht unumstrittene Maßnahme nach innen stellte die Einführung selbstständiger Abteilungen in den Kreisregierungen dar, zunächst in den Kammern der Finanzen und der Forsten, durch die Verordnung vom 26.1.191843. Danach konnte der Regierungspräsident die Erledigung bestimmter Geschäftsgegenstände und Geschäftszweige von minderer Bedeutung im Benehmen mit dem Regierungsdirektor an ein Kollegialmitglied übertragen. Bis zum heutigen Tag werden die anfallenden Arbeiten in den Regierungen im Rahmen dieser Organisation erledigt. Als Zeichen brachte und bringt das „i. A.“ einschließlich der erforderlichen Unterschrift die Delegation und die abschließende Erledigung der Aufgabe zum Ausdruck. Der Unterschreibende ist für ihre sachgerechte Behandlung verantwortlich.
Die Verordnung vom 15.5.192044 erlaubte schließlich den Kreisregierungen zum 1. Juni die Einrichtung von Abteilungen innerhalb der Kammer des Inneren. Interessanterweise bezog sich diese Verordnung auf die Formationsverordnung von 1825, indem sie feststellt, dass sie bis zu einer Neufassungdieser Formationsverordnung gelten soll. Alle Regierungspräsidenten mit Ausnahme Oberbayerns wandten sich gegen die Einrichtung von Abteilungen in der Kammer des Inneren. Informationsverlust, Abteilungsegoismus und Verlangsamung der Arbeit waren ihre Hauptargumente. Die Verordnung schrieb jedoch den Abteilungsvorständen ins Stammbuch, Sorge zu tragen für ein Zusammenwirken der Abteilungen.
Die Weimarer Verfassung beendete die finanzielle Unabhängigkeit der Länder. Die Finanzhoheit lag nun beim Reich. Die Länder wurden zu „Kostgängern des Reiches“. Die Reichsregierung ordnete das gesamte Finanzwesen neu in der Hoffnung, „die Reichsschulden zu liquidieren, die Währung zu stabilisieren, den Wirtschaftsaufschwung zu fordern und mehr Steuergerechtigkeit herbeizuführen.“45
Mit Gesetz vom 10.9.191946 richtete die Reichsfinanzverwaltung auf der Mittelstufe in Bayern drei Landesfinanzämter ein; sie waren Reichsbehörden. München war für Ober- und Niederbayern und Schwaben zuständig, Nürnberg für Ober- und Mittelfranken und die Oberpfalz und Würzburg schließlich für Unterfranken und die Pfalz.
Mit der Verordnung vom 23.1.192047 wurden „die bestehenden Kammern der Finanzen mit sofortiger Wirkung aus dem Verbund der Kreisregierungen losgelöst“. Für die Kreisregierungen bedeutete dies nach über 100 Jahren ihres Bestehens den Verlust der Kammern der Finanzen.
Diejenigen von Oberbayern, Mittel- und Unterfranken wurden in die o. g. Landesfinanzämter eingegliedert. Augsburg, Bayreuth, Landshut, Regensburg, Ansbach und Speyer wurden als Zweigstellen der zuständigen Landesämter eingerichtet. Sie bildeten fortan selbstständige, dem Reichsfinanzministerium untergeordnete Behörden der Finanzverwaltung, die in Landesangelegenheiten den Weisungen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zu folgen hatten. Die Rentämter hießen ab 1.10.1919 Finanzämter. „Eine merkwürdige Konstruktion war es, dass die Landesfinanzämter und die ihnen unterstellten Finanzämter als Reichsbehörden auch Landesabgaben und das Landesvermögen verwalteten...“48
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„Das Thema Vereinfachung und Verbilligung der Staatsverwaltung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Regierungen. Ob dies die Einsparungskommission beim Regierungsantritt König Ludwigs I. war, welche die Zahl der Beamten drastisch verminderte, aber den Kreisbehörden mehr Selbstständigkeit einräumte, oder ob es die Pläne der heutigen bayerischen Staatsregierung sind, immer geht es um Umstrukturierung und Erneuerung der Verwaltung, die bei den Betroffenen zunächst Unbehagen und die Frage nach einer wirklichen Verbesserung hervorruft.“49
In den 20er Jahren war der bayerische Landtag wieder mit Fragen der Verwaltungsvereinfachung befasst. Wo könnte gespart werden? Wie immer ging es dabei auch um die Stellung der Kreisregierungen im bayerischen Staatsaufbau. Alle denkbaren Möglichkeiten wurden vorgeschlagen: Zwei Kreisregierungen mit einer Zuständigkeit für ganz Bayern, oder drei bis zwanzig Landeskommissariate. In einer Denkschrift über Vereinfachung und Verbilligung der Staatsverwaltung vom 6.10.1922 hat das Staatsministerium des Inneren alle diskutierten Vorschläge verworfen. Schließlich fand sich doch eine Lösung. Nach §46 der II. Verordnung zum Vollzug des Staatshaushalts vom 31.10.193150 wurden die beiden Kreise Niederbayern und Oberpfalz und Regensburg zusammengelegt. Mitwirkung vom 1.4.1932 wurde daraus die Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz. Ebenso wurden mit Wirkung vom 1.1.1931 die Kreisregierungen von Mittelfranken und Oberfranken mit Sitz in Ansbach zusammengelegt als Regierung von Oberfranken und Mittelfranken. Am 1. April 1948 wurden sie wieder getrennt.
Erst Artikel 185 der bayerischen Verfassung von 1946 verlangte, dass die alten Kreise „ehestens wiederhergestellt“ würden. Mit Gesetz vom 20.4. 194851 wurde der Regierungsbezirk Niederbayern und Oberpfalz wieder getrennt. Auf den Zusatz „und Regensburg“ verzichtete man.
Die Geschäfte der Regierung von Niederbayern führte bis 1956 noch der Regierungspräsident der Oberpfalz. Seit 1953 hatte er bereits 2 Regierungsvizepräsidenten zur Seite. Die Verordnung vom 30.1.195652 entband ihn dann von den niederbayerischen Aufgaben; er war nun wieder ausschließlich für die Oberpfalz zuständig. Am 1.1.1956 wurde der neue Regierungspräsident von Niederbayern, Ludwig Hopfner, berufen; er übernahm zum 1.2.1956 (rückwirkend) die Amtsgeschäfte. Die Verlagerung der Behörde und damit der Amtsgeschäfte von Regensburg nach Landshut war erst am 1.5.1959 endgültig abgeschlossen.
Auf den Gebietsumfang der Oberpfalz hatte auch das sog. Münchner Abkommen vom 29.9.1938 Auswirkungen. Der Regierungspräsident in Regensburg wurde zunächst zum Treuhänder für jene im Südwesten des Sudetenlandes gelegene Teile bestellt, die an den Regierungsbezirk Niederbayern und die Oberpfalz grenzten. Das „Gesetz über die Gliederung der sudetendeutschen Gebiete“ vom 25.3.193953 vergrößerte den Regierungsbezirk um ein Gebiet von ca. 1722 km mit 124 Gemeinden und ca. 88000 Einwohnern. Es handelte sich um die Landkreise Prachatitz, Bergreichenstein und den Markt Eisenstein. Aus diesen Landkreisen wurden 1940 die sieben Chodengemeinden sowie vier weitere Gemeinden in den damaligen Landkreis Waldmünchen eingegliedert.
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Wie schon 1918 hinterließen die Reichstagswahlen von 1933, welche die NSDAP an die Macht brachten, und die nationalsozialistische Machtübernahme in Bayern am 9. März in der Organisation der Kreisregierungen zunächst keine erkennbaren Spuren. Mit der Gründung einer straffen Parteiorganisation in Bayern - es entstanden sechs NSDAP-Gaue - kam es zwangsläufig zu häufigen Auseinandersetzungen zwischen dem Regierungspräsidenten als Vertreter des Staates im öffentlichen Leben und als Aufsicht über die nachgeordneten Behörden und den Gauleitern als Repräsentanten der herrschenden Partei. Diese Querelen durchzogen die gesamte Zeit bis 194554. In einigen Regierungsbezirken wurden später Gauleiter auch zu Regierungspräsidenten. Der 1933 in Regensburg amtierende Regierungspräsident Dr. Heinrich Wirschinger blieb bis Frühjahr 1934 im Amt. Bei seinen Nachfolgern bis 1945 standen Verdienste um die Partei oder wenigstens entsprechende Beziehungen bei ihrer Auswahl im Vordergrund, nicht die bisher verlangten Qualifikationen. Spätestens die Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare vom 16. November 194255 wies den Gauleitungen die eigentliche Macht zu. Sie wurden zur geschäftsführenden Behörde in Verteidigungsangelegenheiten. Die Regierungspräsidenten wurden zu Stellvertretern der Gauleiter bestellt.
Nach dem Ausscheiden der Forstabteilung aus der Regierungsorganisation entfiel die nunmehr überflüssige Bezeichnung „Kammer des Inneren“ (Bekanntmachung vom 6.5.1935). So betrachtet, ist die Organisation der Kreisregierung seitdem in ihren Grundzügen unverändert bis zum heutigen Tag. Zugleich entfiel die Bezeichnung „Präsidium der Regierung der Oberpfalz“. Dem nationalsozialistischen Führerprinzip entsprechend lautete die Behördenbezeichnung nunmehr „Der Regierungspräsident“. Das blieb so bis 1945. Ab Jahresbeginn 1939 wurde die Bezeichnung Kreisregierung nicht mehr verwendet. Im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung im gesamten Reich hieß diese Verwaltungsebene nun Regierungsbezirk. Aus dem Bezirksamtmann wurde damals der Landrat, aus dem Bezirk der Landkreis. Das Beamtengesetz vom 1.7.1937 machte aus dem bisherigen „Laufbahn“ - Beamten Regierungspräsident einen politischen Beamten; ihn konnte man auch in den Ruhestand versetzen.
In Bayern wurde 1939 auch die bisher nicht vergebene Amtsbezeichnung eines Regierungsvizepräsidenten eingeführt und damit ein Regierungsdirektor betraut, der den Regierungspräsidenten zu vertreten hatte. Seine Bedeutung nahm in dem Maß zu, als in der Folgezeit Personen ohne entsprechende Qualifikationen an die Spitze der Regierung berufen wurden.
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Die „Stunde Null“ kam mit der Kapitulation Deutschlands am 9.5.1945 in Berlin. Mit der sog. Berliner Erklärung vom 5.6.1945 übernahmen die Alliierten die oberste Regierungsgewalt in Deutschland „in Anbetracht der Niederlage Deutschlands ...“. Die Proklamation Nr. 1 vom 14.7.1945, erlassen vom Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, Dwight D. Eisenhower, sowie die Proklamation Nr. 2 vom 19.9.1945 führten zur Wiedererrichtung des bayerischen Staats mit einer von den Amerikanern ernannten Regierung, zur Einrichtung der amerikanischen Besatzungszone und zur endgültigen Übernahme der Staatsgewalt in Bayern. Von 1945 bis 1952 stand Bayern unter amerikanischer Militärregierung. Sie war gegliedert wie die bayerische Verwaltung. Auf der Ebene der Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz gab es ein „Detachment“: Am 1.6.1945 wurde Dr. Ernst Falkner zum kommissarischen Leiter der Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz ernannt, nachdem Regierungspräsident Gerhard Bommel und Vizepräsident Dr. Sierp verhaftet worden waren. Bereits am 6.8.1945 entstand der erste Organisationsplan der Nachkriegszeit für die Regierung. Er umfasste 6 Abteilungen.56
An dieser Stelle mögen drei grundsätzliche Probleme angerissen werden, mit denen alle Regierungen nach Kriegsende zu kämpfen hatten; sie werden am Beispiel der Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz dargestellt. Es waren der Mangel an geeignetem Personal, die Unterbringung von Flüchtlingen und die Verwaltung des knappen Wohnraums und der Lebensmittel. Gut drei Monate nach seiner Ernennung bat Dr. Falkner am 19.9.1945 die Militärregierung, ihn seines Amtes zu entheben. Er begründete seine Bitte damit, dass er ihren Weisungen nicht folgen könne, die von ihm ein strengeres Vorgehen in der „Denazifikation“ (Entnazifizierung) verlangt hatten. Dr. Falkner wörtlich: „Ich stelle fest, Beamte und Angestellte sind aufgrund eines schematischen Befehls des Dienstes zu entheben, wenn sie reine Parteimitglieder waren. Dies trifft Leute, die in ihrem Inneren niemals Nationalsozialisten waren, von denen ortsbekannt ist, dass sie Gegner des Nationalsozialismus waren. Die eigentlich aktiven Kräfte des Nationalsozialismus sind heute noch frei und unbehelligt ...“57.
Seit Juli 1945 hatte nämlich die Militärregierung auf Veranlassung von, Eisenhower die Entnazifizierung verschärft und perfektioniert. Frühere NSDAP-Mitglieder konnten so in der Verwaltung, in öffentlichen Ämtern, auch in den Schulen nicht mehr tätig sein. Ein Großteil der Beamten musste gehen. Ihre Arbeitskraft und ihre Erfahrung fehlten natürlich. Um die Dimension zu zeigen: Im Mai 1946, so eine Statistik, waren 57% der Beamten und 34% der Angestellten des öffentlichen Dienstes entlassen. Viele Beamte waren ohnehin gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft geraten. Am 23.10.1945 überreichte Colonel Hastings vom Detachment Herrn Regierungsdirektor Dr. Wein in Regensburg ein Schreiben, das ihn zum Regierungspräsidenten ernannte. Zwei Tage später teilte Dr. Wein seine Beauftragung dem Bayerischen Innenministerium mit. Zugleich verwies er darauf, dass auch er die Aufgaben der Nachkriegszeit nach der Entlassung aller ehemaligen Parteimitglieder unter der Beamtenschaft nicht erfüllen könne.58 Die als Ersatz eingestellten Mitarbeiter seien im Verwaltungsdienst ungeschult. Das begann schon mit der normalen Verwaltungssprache. So musste der im Nationalsozialismus gebräuchliche Sprachstil geändert werden. Man durfte beispielsweise die „Ich-Form“ in dienstlichen Schreiben nicht mehr verwenden. Ebenso hatte die Verwendung eines dienstlichen Kopfbogens für private Schreiben zu unterbleiben. Folgerichtig begann ab 1.5.1948 Oberregierungsrat Dr. Josef Ulrich, der spätere Regierungspräsident, mit Fortbildungskursen für Beamte der Regierungen.
Trotz der genannten Personalprobleme, die im Zusammenhang mit der Entnazifizierung auftraten, änderte sich der Aufgabenzuschnitt der Regierungen entscheidend. Die Bewältigung der unmittelbar nach Kriegsende auftauchenden Schwierigkeiten wirkten sich dabei ebenso aus, wie die verlangte Ausgliederung nationalsozialistisch belasteter Beamter und Angestellter. Die Zuständigkeit der Regierung für das Polizeiwesen entfiel; die Polizei wurde kommunalisiert. Ebenso wurde die Gewerbeaufsicht praktisch verselbstständigt. Auch die seit 1810 bestehende Zuständigkeit der Regierung als Verwaltungsgericht der 2. Instanz ging verloren. Mit dem Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25.9.194659 wurden für die einzelnen Regierungsbezirke eigene Verwaltungsgerichte gebildet. § 1 lautete: „Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte (Verwaltungsgerichtshof und Verwaltungsgerichte) ausgeübt“. An die Stelle des bisher für die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte geltenden Enumerationsprinzips trat die Generalklausel. Dies war der letzte Schritt zur Trennung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit; sie hatte ja im 19. Jahrhundert schon begonnen.
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Drei große zeitbezogene Bereiche, welche die Schwierigkeiten im Nachkriegsdeutschland kennzeichnen, führten zu grundsätzlichen und völlig neuen Aufgaben, die sich sehr bald auch im Zuständigkeitsspektrum der Regierungen spiegelten. Auch hier zeigten die Regierungen ihre eigentliche Bedeutung, nämlich Aufgaben, die im gesamten Staatsgebiet gleichmäßig umzusetzen sind, durch entsprechende Vorgaben selbstständig, zuverlässig und gleichmäßig zu erledigen.
Die Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit waren das Flüchtlingswesen, die Wohnraumbewirtschaftung und die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Es ist aus heutiger Sicht interessant, dass zur Lösung dieser alle berührenden, drängenden Fragen zunächst Sonderbehörden in jedem der 5 Regierungsbezirke entstanden. Auf die Regierungsbehörden griffen die Besatzungsmächte aus naheliegenden Gründen zunächst nicht zurück. Bereits 1945 wurde für jeden Bezirk ein Flüchtlingskommissar eingesetzt; daneben gab es selbstständige Landessiedlungsämter. Sie waren dem Arbeitsministerium unterstellt und wurden bereits am 8.8.1946 in die Regierungen eingegliedert.60 Schließlich entstand in jedem Regierungsbezirk ab 25.10.1945 ein Regierungswirtschaftsamt61. Die Regierungen waren dabei für die Bewirtschaftung der gewerblichen Güter und Leistungen zuständig. Dieses Amt wurde bereits 2 Jahre später am 27.11.1947 mit der Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung in Bayern wieder aufgelöst.62
Mit der „Verordnung über die behördliche Organisation der Wohnraumbewirtschaftung und das Flüchtlingswesen“ vom 12.10.194863 wurden damals zwei Bereiche in die Regierungen eingegliedert und zu einer Abteilung für Wohnraumbewirtschaftung und Flüchtlingswesen zusammengefasst. Die Einheit der Verwaltung auf der Mittelstufe war in diesem Bereich wiederhergestellt. Einen ersten Abschluss der Nachkriegsentwicklung brachte den Regierungen die „Verordnung über die Bildung von Abteilungen und die Verteilung der Geschäfte bei den Regierungen“ vom 4.7.1949.64 Die Aufbauorganisation sah sechs Abteilungen vor: Präsidialabteilung, Abteilung Allgemeine Verwaltung, Wirtschaftsabteilung, Bauabteilung, Schulabteilung sowie Abteilung für Wohnraumbewirtschaftung und Flüchtlingswesen. Die Gliederung der Abteilungen in Sachgebiete war Aufgabe der Regierungspräsidenten.
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Die zunehmende Industrialisierung der Nachkriegszeit, die weitere Technisierung unseres Alltagslebens, die ersten Vorboten einer Globalisierung insbesondere in der Wirtschaft, die sich entwickelnde politische Großwetterlage nach dem 2. Weltkrieg (sog. Freie Welt und kommunistischer Machtblock) sowie ein langsam entstehendes Bewusstsein für die Umwelt schlugen sich auch in der bayerischen Staatsverwaltung und damit im Aufgabenzuschnitt der Regierungen nieder. Man könnte diese Zeit unter die Überschrift stellen Zunehmende Differenzierung der Verwaltungsaufgaben und, damit einhergehend, ein größerer Bedarf an Personal.
So wurde 1963 ein Sachgebiet „Ziviler Bevölkerungsschutz“ eingerichtet, 1965 die Sachgebiete Gewässergüteaufsicht, Elektrotechnik, Lüftungs- und Heizungstechnik. Ebenfalls 1965 wurde erstmalig ein Beauftragter für den Naturschutz bestellt; vier Jahre später entstand ein eigenes Sachgebiet Naturschutz. Am 1.4.1960 teilte man die bisherige Abteilung für Wirtschaft auf in die Bereiche „Gewerbliche Wirtschaft“ und „Landwirtschaft“.65
Die Gründung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Uniweltfragen im Jahr 1971 hatte nochmals eine Zunahme der Aufgaben in der Staatsverwaltung und damit in den Regierungen zur Folge. Die Verordnung vom 10.12.197466 legte, den Aufgabenzuwachs umsetzend, daher fest, dass die Regierungen nunmehr 8 Abteilungen umfassen sollten. Neu waren die Abteilung 7 Landwirtschaft und 8 Landesentwicklung und Umweltfragen. Die bisherige Abteilung „Wohnraumbewirtschaftung und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge“ wurde in ihrer Zuständigkeit erweitert. Sie hieß nunmehr: Abteilung 6 Soziale Aufgaben. In der Regierung der Oberpfalz sah der Geschäftsverteilungsplan vom 1.2.197 neben den genannten acht Abteilungen sechzig Sachgebiete vor. Die Zahl der Beamten, Angestellten und Arbeiter erreichte ca. 530.67
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Die vermutlich weitestreichende Reform des 20. Jahrhunderts in der Inneren Verwaltung stellt die Gebietsreform von 1972/1978 dar. Sie veränderte erstmals seit 1837 die untere und mittlere Verwaltungsebene nachhaltig. Das Land Bayern selbst blieb im Unterschied zu den Reformen am Beginn des 19. Jahrhunderts in seinem Bestand unverändert. Der Gedanke, größere Verwaltungseinheiten zu schaffen, der bereits in den 80er Jahren des 19. Und in den späten 20er Jahren des 20. Jahrhunderts aus Kostengründen heftig diskutiert worden war, konnte nun umgesetzt werden. Dabei wurde die Zahl der bayerischen Landkreise von 143 auf 71 verringert, jene der kreisfreien Städte von 48 auf 25.
Der Umfang der Landkreise und damit die Verwaltungssprengel unseres Regierungsbezirks verschoben sich. Statt der ursprünglich neunzehn Landkreise gab es nur noch sieben, statt der fünf kreisfreien Städte drei. Der Bestand der Oberpfalz wurde folgendermaßen verändert68: Der Landkreis Riedenburg zerfiel in drei Teile. Dabei blieb der Raum Dietfurt in der Oberpfalz, der Raum Riedenburg kam zu Niederbayern, der südwestliche Teil mit Altmannstein, Bettbrunn, Mindelstetten, Pondorf zum Landkreis Eichstätt (Oberbayern). Ebenfalls zum Landkreis Eichstätt kam die südliche Hälfte des Landkreises Beilngries. Die Gemeinde Neuhaus bei Auerbach wurde nach Mittelfranken umgegliedert. Aus dem Landkreis Kemnath schlug man den Raum Mehlmeisel und den Raum Speichersdorf mit Haidenaab dem Regierungsbezirk Oberfranken zu, ebenso zwei Gemeinden des Landkreises Eschenbach. Der Landkreis Regensburg vergrößerte sich im Süden um den Raum Eggmühl und Schierling; beide gehörten bis dahin zum niederbayerischen Landkreis Maliersdorf. Schließlich wurde der Landkreis Kotzing in seiner Gänze dem Landkreis Cham zugewiesen. Der kam damit wieder zur Oberpfalz, wozu er schon bis 1817 gehört hatte. Der Regierungsbezirk Oberpfalz vergrößerte sich damals um 30 km2 und nahm um 3149 Einwohner zu. Die Gebietsreform selbst trat durch das „Gesetz zur Neuabgrenzung der Regierungsbezirke“ vom 27.12.1971 und die Verordnung über die Neugliederung Bayerns in Landkreise und kreisfreie Städte zum 1.7.1972 in Kraft.
Ab 1. Mai 1978 veränderte sich die gemeindliche Landschaft Bayerns und damit auch die der Oberpfalz. Damals verringerte sich die Zahl der Gemeinden im Regierungsbezirk von 929 auf 222. 99 davon waren sog. Einheitsgemeinden, 123 als selbstständige Gemeinden Mitglieder in insgesamt 46 Verwaltungsgemeinschaften. Natürlich hat es seitdem weitere Veränderungen gegeben.
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Etwa 15 Jahre nach der Umsetzung der Gebietsreform setzten in den 90er Jahren erneut staatliche Reformbemühungen ein. Sie veränderten den Inneren und Äußeren Behördenaufbau der Staatsverwaltung vor allem auf der Mittelebene teilweise erheblich. Mit ihnen einher ging auch in gewissem Umfang ein Wechsel in der Gesamtausrichtung der Regierung hin zu einer eher managementorientierten Serviceeinrichtung.
1993 hatte die bayerische Staatsregierung eine „Projektgruppe Verwaltungsreform“ eingesetzt. In die entsprechenden Reformgesetze von 1997, 2000 und 2002 flössen deren Ergebnisse ein. Am sichtbarsten wurden sie in der Vorgabe, die Sachgebiete in den Regierungen jeweils um 25% zu reduzieren, das Personal um 10%. Für die Regierung der Oberpfalz bedeutete dies zwischen 1997 und 2002, z. T. in mehreren Schritten umgesetzt, u. a.:
Zusammenfassung aller regional- und landesplanerischen Tätigkeiten, sowie der Raumordnung; seit 1.12.2003 in der damaligen Abteilung für „Wirtschaft, Infrastruktur und Verkehr“.
• Zusammenführung aller personal- und organisationsrechtlichen Belange der Schulen innerhalb der Schulabteilung
• Die Eingliederung der Elektrotechnik und des Maschinenwesens in das Sachgebiet „Hochbau“.
• Die Bildung eines einzigen Rechtssachgebiets in den damaligen Abteilungen „Wirtschaft, Infrastruktur und Verkehr“ und „Umwelt“.
Beim Abbau des Personals trug man der beginnenden Vernetzung der Behörden untereinander und innerhalb derselben Rechnung. Die Arbeitsplätze wurden zunehmend mit Computern ausgestattet, u. a. wurde ein bayerisches Behördennetz eingerichtet. Die Kommunikationswege verkürzten und vereinfachten sich auf diese Weise. Als neues Führungsinstrument hielt das Mitarbeitergespräch Einzug in die Regierung, es fanden Vorgesetztenbeurteilungen statt. Zu besetzende Stellen wurden im Prinzip bayernweit ausgeschrieben. Die Unterschriftsbefugnisse wurden deutlich nach unten übertragen.
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Am 6. November 2003 kündigte der wiedergewählte bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber in seiner Regierungserklärung („Perspektiven für Bayern schaffen. Sparen — Reformieren — Investieren“) eine umfassende Verwaltungsreform für die kommende Legislaturperiode (bis 2008) an. Das Reformprojekt „Verwaltung 21“ sollte zunächst die Verwaltung auf allen Ebenen schlanker machen. Dies musste durch den Abbau staatlicher Aufgaben und, einhergehend damit, von Planstellen geschehen. Die Regierungserklärung machte dabei folgende Vorgaben: „Sonderbehörden werden wir zusammenfassen und hoheitliche Aufgaben weitestgehend in die innere Verwaltung eingliedern. Dort, wo es möglich ist, werden wir sie in ressort- und gebietsübergreifend organisierten Ämtern bündeln. Das betrifft Aufgaben und Organisation insbesondere von Wasserwirtschaftsämtern, Straßen- und Hochbauämtern, Vermessungsämtern, der Forstverwaltung, der Ämter für Versorgung und Familienforderung, der Gewerbeaufsicht und der Direktionen für ländliche Entwicklung.“
Im Verlauf des Projekts „Verwaltung 21“ entwickelte sich noch eine andere Zielrichtung der Reform, die Bürger- und Serviceorientierung der Verwaltung.
Für die Regierung der Oberpfalz bedeutete dies im Wesentlichen (nicht abschließend):
1.7.2004 Wegfall der Ernährungsberatung
1.1.2005 Angliederung der Gewerbeaufsichtsämter
1.7.2005 Auflösung der Abteilung „Landwirtschaft“; deren Aufgaben gingen
an das Landwirtschaftsministerium, die Führungsakademie für
Landwirtschaft und Forsten und an die Landesanstalt für Landwirtschaft
1.8.2005 Umgliederung des Sachgebiets „Integrationsamt, Hauptfürsorgestelle“
in das „Zentrum Bayern, Familie und Soziales“ in BayreuthDie seit 1.10.2005 geltende Aufbauorganisation der Regierungen:
Aus sieben Abteilungen werden fünf Bereiche:
- Bereich 1: Sicherheit, Kommunales und Soziales
- Bereich 2: Wirtschaft, Landesentwicklung, Verkehr
- Bereich 3: Planen und Bauen
- Bereich 4: Schulen
- Bereich 5: Umwelt, Gesundheit, Verbraucherschutz
Beim Präsidium neu gebildet:
- Stabsstelle Presse — P: Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Orden
- Stabsstelle Verwaltungssteuerung - S: Controlling, Projektmanagement, Innenrevision
- Stabsstelle Verwaltungsmanagement - Z: Organisation, luK, Personal, Rechtsreferendare, Haushalt, Prozessvertretung
Frühere Abteilungen wurden z. T. aufgelöst; ihre Aufgaben haben die Stabsstellen übernommen. Die Sachgebiete „Baurecht und „Planfeststellung, Straßenrecht, Vergaberecht“ wurden in den Bereich 3 umgegliedert und später zu einer Einheit zusammengefasst.
Auch auf der unteren Verwaltungsebene der Staatsbehörden fand eine nachhaltige Reform statt. Aus 28 Hochbauämtern und 23 Straßenbauämtern in Bayern wurden am 1.1.2006 22 staatliche Bauämter. In der Oberpfalz sind dies Regensburg und Amberg-Sulzbach. Aus 24 Wasserwirtschaftsämtern entstanden in Bayern 17, in der Oberpfalz je eines in Weiden und in Regensburg.
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Eine Besonderheit der Allgemeinen Inneren Verwaltung in Bayern stellen die Bezirke als sog. Dritte Kommunale Ebene dar. Heute bilden sie Gebietskörperschaften des Öffentlichen Rechts. Andere Bundesländer kennen vergleichbare Einrichtungen nicht.
Urahnen der heutigen Bezirke könnten die Landräthe sein; sie wurden durch das „Gesetz, die Landräthe betreffend“ vom 15.8.182869 ins Leben gerufen. Ernst Emmerig bemerkt dazu: „Hier handelt es sich um ein landsmannschaftlich bestimmtes politisches Gremium, das der Kreisregierung für den von ihr zu vollziehenden Staatshaushalt beratend zur Seite stand. Seine Aufgabe war im wesentlichen finanztechnischer Art, insbesondere die Prüfung des jährlichen Voranschlags aller von der Gesamtheit des Regierungsbezirks zu tragenden notwendigen und nützlichen Aufgaben* (§2 Nr. 2).“70 Mit den heutigen Bezirken hatten die Landräthe wenig gemein. Sie waren kein politisches Organ bürgerlicher Selbstverwaltung.
Auch das Gesetz vom 28.5.185271, das als Folge der Revolution von 1848 die Kreisgemeinden ins Leben rief, schuf noch keine echten Vorgänger der heutigen Bezirke; es waren eher Gemeindeverbände. Sie bestanden aus den Vertretern der Distriktsgemeinden, den Vorläufern der heutigen Landkreise. Die Kreisgemeinden waren fest in die staatliche Verwaltung eingebunden. Sie unterstanden der staatlichen Leitung und Kontrolle. Immerhin wurde erstmals jener Gedanke formuliert, der heute das Wesen der Bezirke ausmacht: die Erledigung von Aufgaben, die über die Leistungsfähigkeit der Distriktsgemeinden und unmittelbaren Städte hinausgeht.
Das volle Selbstverwaltungsrecht erhielten die Kreisgemeinden erst nach dem 1. Weltkrieg, als Bayern zur Republik und zum Freistaat wurde. Das Selbstverwaltungsgesetz vom 22.5.191972 verlieh ihnen den Status von kommunalen Gebietskörperschaften auf der Ebene der Regierungsbezirke. Ihr Organ, der Kreistag, wurde jetzt durch allgemeine, freie, gleiche, geheime und direkte Wahlen besetzt.
Die Kreisordnung vom 17.10.192773 hob das Landratsgesetz von 1852 auf. Die Führung der Geschäfte und der Vollzug der vom Kreistag gefassten Beschlüsse lagen weiterhin bei den Kreisregierungen.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde „das Rad wieder zurückgedreht“: Das Gleichschaltungsgesetz vom 7.4.1933 schaffte demokratische Wahlen ab. Mit Verordnung vom 28.11.1938 wurde aus dem Kreistag der Bezirksverband. Das im Januar 1940 eingeführte Führerprinzip gab dem Bezirksverbandspräsident das volle und ausschließliche Entscheidungsrecht.
Mit der Übernahme der obersten Regierungsgewalt durch die Alliierten am 5.6.1945 erlosch der Bezirksverband völlig. Erst die Bayerische Verfassung vom 8.12.1946 schuf im Artikel 10 wieder „Selbstverwaltungskörper“ für das Gebiet jedes Kreises, d. h. Regierungsbezirks. Doch erst die Bezirksordnung vom 27.7.195374 errichtete die Bezirke wieder als Selbstverwaltungskörperschaften bzw. Gebietskörperschaften. Ihr Organ, der Bezirkstag, wird seit 1954 gemeinsam mit dem Landtag gewählt. Die Bezirke blieben mit den Regierungen eng verbunden. Diese führten die Geschäfte und vertraten den Bezirk nach außen. Dem Bezirkstag wurde ein Mitwirkungsrecht bei der Berufung des Regierungspräsidenten eingeräumt (Artikel 31).
Das Jahr 1978 brachte den Bezirken mit dem „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung auf der Ebene der Bezirke“ vom 24.5.197875 eine weitgehende Selbstverwaltung. Nicht mehr der Regierungspräsident, sondern der Bezirkstagspräsident vollzieht die Beschlüsse des Bezirkstags und seiner Ausschüsse. Er vertritt den Bezirk nach außen und übt die Dienstaufsicht aus sowohl über die Bezirksbediensteten als auch über die dem Bezirk vom Staat zur Verfügung gestellten Bediensteten. Er wird vom Bezirkstag aus seiner Mitte gewählt. Der Verwaltungsverbund zwischen Bezirk und Regierung ist in einigen Bereichen dennoch erhalten.
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Die Reform „Verwaltung 21“ ist noch nicht ganz umgesetzt, wenngleich ihre Konturen deutlich erkennbar sind. Hinter der Umstellung von Abteilungen in Bereiche (s. o.) verbirgt sich mehr als bloße Kosmetik. Neben dem Personaleinspareffekt soll die Koordinierungsfunktion der Regierung stärker betont und „ein bewusstes Absetzen von den bisherigen Strukturen dokumentiert werden.“ Die Neuorganisation der zentralen Funktionen in der Regierung (s. o.) und ihre Anbindung an das Präsidium, hier den Regierungsvizepräsidenten, stellt eine klassische Projektorganisation dar. Sie ist damit aus der bisherigen Linienorganisation ausgeschieden und soll noch mehr Flexibilität und schnellere Reaktion zeigen.
So sah die „Arbeitsgruppe Regierungen“ des Staatsministers für Bundesangelegenheiten und Verwaltungsreform „die künftige Struktur der Regierungen in einem modernen regionalen Service- und Dienstleistungszentrum. Auf der Mittelstufe der allgemeinen Verwaltung bündelt die Regierung in der Region die Belange der von ihr vertretenen Ressorts. Sie sorgt für koordinierte Planungen und Entscheidungen aus einer Hand für Bürger, Unternehmen, Kommunen und staatliche Stellen.“
Koordinierungs- und Lenkungsfunktion der Regierungen wird auf diese Weise nachhaltig betont. Die Neuorganisation bedeutet einen teilweisen Abschied von der über 150 Jahre bestehenden Linienorganisation (Formationsverordnung von 1825).
Die Bündelungs- und Koordinierungsfunktion in der Fläche, darin liegt jene die Zeiten überdauernde Grundbedeutung der Regierungen als staatliche Mittelbehörden von Anfang an. Und es sieht so aus, dass auch die letzten Reformen dieses Grundprinzip wiedererkennen, ja es vielleicht sogar stärken. Sowohl das Vollziehen politischer Vorgaben in jüngster Zeit, als auch die umfassende Lösung großer Einzelprobleme vor Ort scheinen dies zu beweisen. Die Umsetzung des sog. Konjunkturpakets II als einem der staatlichen Instrumente gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise Ende 2009 wäre ohne die Wirkungsweise der Regierungen kaum machbar gewesen.
Drei repräsentative Beispiele in der Oberpfalz aus der jüngsten Vergangenheit mögen dies unterstreichen. Die „Planung und Durchführung von Baumaßnahmen und weiteren Infrastruktureinrichtungen für die US Armee im Bereich des Truppenübungsplatzes „Grafenwöhr“, die „Sanierung/Sicherung und Rekultivierung der Deponie Schlackenberg in Sulzbach-Rosenberg“ und die Ausweisung der „Regentalaue zwischen Cham und Pösing als Naturschutzgebiet“. In den ersten beiden Fällen hat man eigene Baudienststellen geschaffen, in Grafenwöhr am 28.1.2002, für den Schlackenberg am 1.7. 2005. Sie unterstehen unmittelbar dem Leiter einer Projektgruppe in der Regierung. Fach- und disziplinübergreifende Koordination in der Regierung selbst, aber auch anderer Behörden und schließlich der selbstständige, operative Einsatz von Personal- und Sachressourcen vor Ort sind die Kennzeichen dieser Organisation. Der Erfolg gibt ihr Recht.
Die Ausweisung des größten Naturschutzgebiets in der Oberpfalz (1427 ha) bedurfte neben der Lösung fachlicher und rechtlicher Probleme insbesondere hoher Koordinationsbereitschaft und -fähigkeit. Musste doch zwischen den verschiedensten privaten und öffentlichen Interessen, aber auch lokal-, verbands- und regionalpolitischen Vorstellungen ein Ausgleich gefunden werden. Verwaltungskompetenz, Leidenschaft und die dennoch notwendige persönliche und politische Distanz konnte nur eine Behörde aufbringen, die nicht einem ständigen, demokratisch legitimierten Auswahlprozess in der Öffentlichkeit unterworfen ist.
Zwei mögliche Entwicklungen zeigen, dass die mehrfach beschriebenen und dargestellten Funktionen der Regierung auch von politischer Seite wieder deutlicher gesehen werden, und zwar unter gesamtstaatlichen Gesichtspunkten. Im bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie wird offenbar darüber nachgedacht, an den Regierungen Ansprechstellen für Fragen des ländlichen Raums einzurichten. Gerade kleinere Kommunen haben - im Gegensatz zu großen Städten - oft nicht die Möglichkeit, sich mit den vielfältigen fachlichen Fördermöglichkeiten, auch der EU, auseinanderzusetzen. Und — dem Vernehmen nach — gibt es in Politik und Verwaltung Überlegungen, wie man der „Verinselung“ der staatlichen Landwirtschaftsverwaltung entgegentreten könne, in die sie nach dem Ausscheiden aus dem Koordinierungs- und Informationsverbund Regierung geraten ist.
Diesen eher pragmatischen Überlegungen sei zum Schluss noch das Ergebnis einer Analyse über die verfassungsrechtliche Stellung der Regierungen hinzugefügt. Sie kommt, die juristischen Gesichtspunkte betrachtend, zu einem Ergebnis, das diese genannten Überlegungen stützt. Dr. Josef Franz Lindner, Universität München, hat die Regierungserklärung des bayerischen Ministerpräsidenten vom 10.12.2008 zum Anlass für seine Untersuchung genommen. Der Ministerpräsident hatte, so sein Redemanuskript, festgestellt: „Wir wollen starke, aber nicht unbedingt große Mittelbehörden.“ Lindner zieht dabei folgendes, die tatsächliche Bedeutung und Einschätzung bestätigendes Fazit: „Die verfassungsrechtliche Stellung der sieben Regierungsbezirke mit ihren Regierungen als Mittelinstanzen der Staatsverwaltung ist stark. Sie können ohne Verfassungsänderung weder aufgelöst noch in ihrem Bestand verändert werden.“76
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1 Regierung/en meint hier und im Folgenden die staatliche Verwaltungsbehörde auf der Mittelebene,
nicht die bayerische Staatsregierung mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze.
Die Regierungen werden geleitet vom Regierungspräsidenten. Bis zum Beginn des 20.
Jahrhunderts fand für diese Behörde der Begriff Kreisregierung Verwendung.
2 Verordnung vom 23.9.1810 (Reg. Bl. Sp. 809)
3 Das Original hängt im Stadtmuseum, eine Kopie im „Bischofshof'.
4 Verordnung, die Territorialeinteilung des Königreiches Baiern betreffend, vom 21.6.1808
(Reg. Bl. Sp. 1481)
5 I.Teil §4 (Reg. Bl. Sp. 987)
6 Wilhelm Volkert, Gesellschaftsgeschichte, S. 309.
7 Instruktion für die Generalkreiskommissäre vom 17.1.1808 (Reg.Bl.Sp. 1649).
8 Allg. VO vom 2.10.1811 (Reg.Bl.Sp. 1497-1510).
9 Reg. Bl.Sp. 689
10 Michael Stephan, in: Deutinger, Die Regierungspräsidenten, S. 35.
11 Manfred Tremi, S. 36.
12 VO vom 2.2.1817 (Reg. Bl. Sp.49); VO vom 20.2.1817 (Reg.Bl.Sp. 49).
13 Manfred Tremi, S. 31.
14 In diesem Zusammenhang sei nur daran erinnert, dass mit Alfons Metzger, dem 30. Regierungspräsidenten
der Oberpfalz, 1999 nochmals ein Leiter der Behörde in Regensburg
zum Präsidenten des Bayerischen Obersten Rechnungshofes ernannt worden ist.
15 Verordnung, die Formation, den Wirkungskreis und den Geschäftsgang der obersten Verwaltungsstellen
betreffend vom 27.3.1817 (Reg. Bl. Sp. 233)
16 Edikt vom 17.5.1818 (Reg.Bl.Sp. 235 fl)
17 Verordnung über das Regierungsblatt vom 29.11.1817 (Gesetzblatt für das Königreich
Bayern, 1815, 5).
19 Formationsverordnung vom 17.12.1825 (Reg.Bl.Sp. 1049).
20 Ernst Emmerig, S. 23.
21 GVB1. S. 233, Art 2.
22 VO vom 29.11.1837 (Reg.Bl.Sp. 793).
23 Michael Stephan, in: Deutinger, Die Regierungspräsidenten, S. 41, 42.
24 Ausführungsverordnung vom 21.3.1932 (GVB1. S. 177)
25 GVB1. S. 79
26 Wilhelm Volkert, Handbuch, S. 323.
27 Wilhelm Volkert, Handbuch, S. 406
28 Michael Stephan, in: Deutinger; Die Regierungspräsidenten, S. 42
29 Verordnung vom 5.8.1840 (Reg. Bl. S. 42)
30 Annemarie Liebler, Im Stammland von Raute und Löwe, S. 42
31 GBl. S. 137
32 GBl. 61/62 S. 209
33 Verordnung vom 24.2.1862 (Reg:Bl. 369 ff.)
34 Wilhelm Volkert, Handbuch, S. 44 ff.
35 Wilhelm Volkert, Die Abgeordneten im Bayerischen Landtag und die Verwaltungsvereinfachung
um 1880, Zeitschrift füt bayerische Landesgeschichte 55, München 1992 S. 222 ff.
36 Reinhard Heydenreuter, Die Hüter des Schatzes, München, 2008, S. 180 ff.
37 Annemarie Liebier, S. 117 ff.
38 Reinhard Heydenreuter, S. 188
39 GVB1. S. 359
40 GVB1. S. 35
41 GVB1.S. 404
42 Manfred Tremi, S. 175 ff.
43 GVB1. S. 32
44 GVB1. S. 265
45 Manfred Tremi, S. 197 ff.
46 RGBl. S, 1591
47 GVB1. S. 16
48 Reinhard Heydenreuter, S. 209
49 Annemarie Liebler, S. 99
50 GVB1.S. 309
51 GVB1.S. 79
52 StAnz. Nr. 5
53 RGBl. I S. 715
54 Stephan Deutinger, Staat und Gaue in der NS-Zeit, Bayern 1933-1945 - Die bayerischen
Regierungspräsidenten; Sonderdruck aus Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Beiheft
21 — Reihe B
55 Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung
vom 16.11.1942, RGBl. I S. 649 ff
56 Ernst Emmerig, S. 25
57 Hauptstaatsarchiv München M Jnn 83 498
58 Hauptstaatsarchiv München M Inn 85 352
59 GVB1. S. 281
60 Verordnung über die Organisation im Siedlungs- und Wohnungswesen und bei der Wiederbesiedlung
(Amtsblatt des Bayerischen Arbeitsministeriums 1946 S. 112)
61 Anordnung über die Errichtung der bayerischen Wirtschaftskontrollstellen vom 25.10.
1945 (GVB1. Nr. 5 S. 1)
62 Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung in Bayern vom 27.11.1947 (GVB1. S. 217)
63 Verordnung über die behördliche Organisation der Wohnraumbewirtschaftung und des
Flüchtlingswesens vom 12.10.1948 (GVB1. S. 207
64 Verordnung über die Bildung von Abteilungen vom 4.7.1949 (BayBS I S. 146)
65 Annemarie Liebler, S. 153
66 GVB1. S. 802
67 Ernst Emmerig, S. 27
68 Ernst Emmerig, S. 17
69 Reg. Bl. Sp. 49
70 Ernst Emmerig, S. 21
71 Gesetz die Landräthe betreffend (GBl. 51/52 S. 269)
72 GVB1.S. 44
73 GVB1. S. 335
74 GVB1. S. 107
75 GVB1. S. 201
76 BayVBl. 2009, S. 257 ff.